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Mietrecht

Urteile

Rückforderung überzahlter Miete bei Sozialleistungsbezug des Mieters

Jegliche Forderung eines Beziehers von Sozialleistungen aus einem Mietverhältnis, die während des Bezugs von Sozialleistungen fällig wird, geht nach § 33 Abs. 1 SGB II auf den zuständigen Leistungsträger über, soweit sie im Falle ihrer pünktlichen Erfüllung gemäß § 22 Abs. 3 SGB II den Leistungsbezug des Folgemonats gemindert hätte. Für einen im Leistungsbezug stehenden Mieter bedeutet dies, dass er Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Miete – beispielsweise wegen unter Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ nach §§ 556 ff. BGB überhöhter Mietforderungen oder wegen Eintritt eines Mangels, der nach § 536 BGB zur Minderung der Miete führt – nur dann im eigenen Namen geltend machen kann, wenn ihm der Leistungsträger die Forderungen nach § 33 Abs. 4 SGB II rücküberträgt.

LG Berlin, Urteil vom 19.04.2023 – AZ 64 S 190/21 –

Quelle: BeckRS 2023, 8042

Nach Beendigung seines Mietverhältnisses verlangte ein Mieter von seiner Vermieterin die Rückzahlung überzahlter Mieten für den Zeitraum September 2018 bis Juni 2020. Er berief sich dabei auf einen Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“ sowie auf eine Minderung wegen eines Wasserschadens in der Zeit vom 15. September 2019 bis 23. März 2020. Die Mietzahlungen wurden im gesamten Zeitraum ganz überwiegend durch das Jobcenter erbracht. Der Kläger bat das Jobcenter mehrfach, ihm die Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Vermieter abzutreten, erhielt jedoch keine Antwort. Deshalb erhob er schließlich im eigenen Namen Klage auf Rückzahlung der überzahlten Mieten. Das Amtsgericht Köpenick gab ihm weitgehend recht und verurteilte die Vermieterin zur Zahlung.
Das Landgericht Berlin hob jedoch das Urteil des Amtsgerichts auf die Berufung der Vermieterin hin auf und wies die Klage des Mieters ab. Die Forderungen des Mieters seien nämlich aufgrund der besonderen gesetzlichen Anordnung in § 33 Abs. 1 SGB II auf das Jobcenter als den für den Mieter zuständigen Leistungsträger übergegangen, da dieser im Zeitpunkt der Entstehung der Forderungen Sozialleistungen bezogen habe. Dieser gesetzliche Forderungsübergang betreffe insbesondere Zahlungsansprüche des Hilfebedürftigen gegen Dritte, zum Beispiel den Vermieter, wenn deren pünktliche Erfüllung die gewährten Sozialleistungen vermindert oder entbehrlich gemacht hätte. Darunter fielen auch Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Mieten. Das Jobcenter hätte seine monatliche Leistung an den Kläger nämlich entsprechend herabsetzen können (und dies auch zweifellos getan), wenn die Vermieterin die ihr nicht zustehenden Teile der Mietzahlungen unverzüglich zurückgezahlt hätte. Da die von dem Mieter geltend gemachten Rückzahlungsansprüche nach dem Gesetz jeweils im Folgemonat nach ihrer Entstehung auf das Jobcenter übergegangen waren, standen sie dem Mieter nicht mehr zu, er konnte sie folglich auch nicht mehr im eigenen Namen geltend machen.
Das Gericht sah angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung im SGB II keinen Spielraum für eine andere Auslegung. Es half dem Mieter daher auch nichts, dass er das Jobcenter vergeblich um die – nach dem Gesetz mögliche – Rückabtretung der Forderungen gebeten hatte. Gleiches galt für seinen Hinweis, dass die Jobcenter überlastet und keineswegs in der Lage wären, neben der Wahrnehmung ihrer Kernaufgaben auch noch unzählige Mietrechtsstreitigkeiten zu führen. Denn auch das ändere nichts an der gesetzlichen Regelung. Es gehöre nämlich zu den originären Aufgaben der Jobcenter, sich auch um die Rückgewinnung zu Unrecht bzw. zu viel gezahlter Leistungen zu kümmern.