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Mietrecht

Urteile

Mietzins mehr als 20% über ortsüblicher Vergleichsmiete

In Ballungsgebieten wie Berlin, in denen eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung gilt und die gemäß § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB zu Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf erklärt wurden, gilt die Vermutung, dass die Nachfrage nach Wohnungen höher ist als das Angebot. In diesem Falle obliegt es dem Vermieter, diese Vermutung zu entkräften. Der nach Vereinbarung der überhöhten Miete erkennbare Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmieten ist ein Anhaltspunkt dafür, dass das Angebot an Wohnungen die Nachfrage nicht wesentlich überstiegen hat.

LG Berlin, Urteil vom 10.04.2001 – AZ 63 S 211/00 –

Der Mieter schloss im Sommer 1996 einen Mietvertrag. Der darin vereinbarte Mietzins lag wesentlich (mehr als 20%) über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Eine Mietvereinbarung, welche die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20% überschreitet, ist gem. § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) unwirksam, wenn der Mietvertrag unter Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum zustande gekommen ist. Für das Vorliegen des Merkmals "Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum" ist nach dem Wortlaut des Gesetzes der Mieter darlegungs- und beweispflichtig.

Mit der Klage verlangte der Mieter die Erstattung desjenigen Teils der Miete, der die Vergleichsmiete um mehr als 20% überschritt. Er behauptete, die überhöhte Miete sei unter Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum vereinbart worden. Der Vermieter bestritt diesen Sachvortrag und behauptete seinerseits, im Sommer 1996 seien über 60.000 Wohnungen jederzeit zu vergleichbaren Bedingungen anzumieten gewesen.

Das Landgericht hat der Klage des Mieters stattgegeben. Es stellte fest, dass die Mietzinsvereinbarung, soweit sie die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20% überschreitet, gemäß § 5 WiStG teilweise unwirksam ist. Ein "geringes Angebot" im Sinne des § 5 WiStG setzt nach Ansicht des Landgerichts nicht eine generelle Wohnraummangellage voraus. Es genügt vielmehr, wenn das Angebot an vergleichbarem Wohnraum die Nachfrage nicht wesentlich übersteigt. Das Landgericht führte weiter aus, dass in Berlin eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung zur Bewahrung des Wohnraumes gilt und dass Berlin darüber hinaus gemäß § 564 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu einem Gebiet mit erhöhtem Wohnraumbedarf erklärt worden ist. Aus diesem Grunde sei zu vermuten, dass das Angebot an vergleichbarem Wohnraum die Nachfrage nicht wesentlich übersteige. Diese Vermutung müsse der Vermieter entkräften. Die pauschale Behauptung des Vermieters, es habe im Sommer 1996 über 60.000 freie Wohnungen gegeben, ließ das Gericht nicht gelten. Nach Ansicht des Landgerichts könne anhand des Berliner Mietspiegels leicht festgestellt werden, dass die durchschnittliche Miete für vergleichbaren Wohnraum in den Jahren nach Abschluss des Mietvertrages signifikant angestiegen sei. Dieser Anstieg spreche ganz entschieden gegen ein Überangebot von Wohnraum. Ob und inwieweit diese Überlegungen auch auf spätere Zeiträume übertragen werden könnten, ließ das Landgericht ausdrücklich offen. Das Landgericht vertrat die Ansicht, wenn ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum festgestellt werden könne, müsse vermutet werden, dass der Mietvertrag in subjektiver Hinsicht unter Ausnutzung des geringen Angebots geschlossen worden sei. Es sei nämlich im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Vermieter die Marktlage, das übliche Mietniveau und den Mietspiegel kenne, so dass er mit der Vereinbarung eines überhöhten Mietzinses die ihm bekannte Situation ausnutze. Unter diesen Umständen obliege es dem Vermieter, Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass für den Mieter andere Gründe als das geringe Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausschlaggebend für die Vereinbarung der überhöhten Miete waren.

Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist nach Ansicht des Landgerichts grundsätzlich der Berliner Mietspiegel heranzuziehen. Denn dieser habe gegenüber einem Sachverständigengutachten den Vorteil, dass er auf eine Vielzahl vergleichbarer Wohnungen zurückgreife, während ein Sachverständiger typischerweise nur zehn bis zwölf Vergleichswohnungen betrachte. In Fällen wie diesen, bei denen es sich um modernisierten Berliner Altbau handele, gebe es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnung aufgrund besonderer Umstände aus dem statistischen Raster des Mietspiegels falle.

Das weitere Argument des Vermieters, dass die Kostenmiete deutlich über der ortsüblchen Vergleichsmiete liege, ließ das Gericht nicht gelten. Der Vermieter habe nicht dargelegt, dass die Kostenmiete bereits zum 1. September 1993 um mehr als 20% über der damaligen ortüblichen Vergleichsmiete gelegen habe. Die pauschale Behauptung des Vermieters, die Kostenmiete habe im Jahre 1993 mehr als 20 DM/qm betragen, konnte das Gericht nicht nachvollziehen. Es wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vom Vermieter berechneten Kosten für Abschreibungen und Instandhaltung nur nach den in § 28 Abs. 2 Zweite Berechnungsverordnung bestimmten Pauschalen und nicht in tatsächlicher Höhe angesetzt werden könnten. Der Vermieter musste daher die zu Unrecht gezahlte Miete erstatten.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Klaus Heine

Anmerkung:
Gerade bei überhöhten Mieten möchten wir aus aktuellem Anlass darauf hinweisen, dass viele Gerichte für Mietverträge, die um das Jahr 1996 und später geschlossen wurden, das Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum verneinen, bzw. die Darlegungs- und Beweislast auf den Mieter abwälzen. Aus diesem Grunde können wir gegenwärtig nur dringend (!) davon abraten, überhöhte Mieten zu vereinbaren. Soweit bereits überhöhte Mieten vereinbart wurden, bitten wir Sie vor Einleitung irgendwelcher Maßnahmen in jedem Falle, eine unserer Beratungsstellen aufzusuchen.

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 287