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Mietrecht

Urteile

Kündigung zum Zwecke der überwiegend freiberuflichen Nutzung sowie Nutzung als Wohnraum

a) Beabsichtigt der Vermieter, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer (frei-)beruflichen Tätigkeit nachzugehen (hier: Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei), wird es für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB regelmäßig ausreichen, dass ihm bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter bzw. anerkennenswerter Nachteil entstünde (…).
b) Höhere Anforderungen gelten nicht deshalb, weil der Vermieter die an den Mieter überlassene Wohnung nach deren Umwandlung in Wohnungseigentum erworben und die Kündigung innerhalb eines Zeitraums erklärt hat, welcher der für Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen geltenden Kündigungssperrfrist gemäß § 577a Abs. 1, 2 BGB entspricht.
c) Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen der (ordentlichen) Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses gehört die Angabe der Kündigungsfrist bzw. des Kündigungstermins in der Kündigungserklärung nicht. Ergibt die Auslegung der Kündigungserklärung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB, dass der Vermieter ordentlich und unter Einhaltung einer Frist kündigen will, wird es regelmäßig seinem erkennbaren (hypothetischen) Willen entsprechen, dass die Kündigung das Mietverhältnis mit Ablauf der (gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten) Kündigungsfrist zum nächsten zulässigen Termin beendet. Das gilt auch, wenn der Vermieter in der Kündigungserklärung einen zu frühen Kündigungstermin angibt, sofern sein (unbedingter) Wille erkennbar ist, das Mietverhältnis auf jeden Fall zu beenden.

BGH Urteil vom 10.04.2024 – AZ VIII ZR 286/22 –

In einem Mietvertrag von 1982 war vereinbart, dass die Kündigungsfrist zwölf Monate beträgt, wenn seit der Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen sind. Im Juli 2013 wurde das Wohnhaus in Eigentumswohnungen aufgeteilt, im Jahr 2018 kaufte ein Rechtsanwalt die Eigentumswohnung. Am 24. Januar 2021 kündigte er den Mietern das Mietverhältnis zum 31. Oktober 2021 mit der Begründung, die Räume künftig überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer Bürohilfe und eventuell mit Kollegen nutzen und gleichzeitig dort auch wohnen zu wollen. Das Mietverhältnis über seine bisherigen Kanzlei- und Wohnräume endete zu diesem Zeitpunkt. Eine entsprechende Genehmigung des Bezirksamts Charlottenburg zur teilweisen gewerblichen „Zweckentfremdung“ hat er am 11. Februar 2021 unter der Voraussetzung erhalten, dass er dort auch seinen Hauptwohnsitz begründe (was er beabsichtigte). Am 23. August 2021 erhob er gegen die Mieter Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung und sprach gleichzeitig erneut eine ordentliche Kündigung mit der gleichen Begründung aus. Seine Klage hatte zunächst keinen Erfolg.

Das Landgericht Berlin (Zivilkammer 64) vertrat die Auffassung, dass ein gewichtiger Nachteil des Vermieters bei Nichtbezug der Wohnung nicht anzunehmen sei, weshalb das Bestandsinteresse der Mieter überwiege. Auf die Revision des Vermieters hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen. Zunächst stellte das Gericht (insoweit nicht abweichend von der Auffassung des Landgerichts) klar, dass kein Fall einer Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliege, weil die geplante geschäftliche Nutzung die darüber hinaus beabsichtigte Nutzung zu Wohnzwecken überwiege. Daher sei die Kündigung nicht bereits aufgrund der Vorschrift des § 577a Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklauselverordnung des Landes Berlin unwirksam, weil die zehnjährige Kündigungssperrfrist nach Umwandlung und erstem Verkauf der Eigentumswohnung nicht eingehalten sei. Fehlerhaft habe das Landgericht aber angenommen, die Vorenthaltung der Mietsache müsse für den Vermieter nicht lediglich einen „beachtenswerten Nachteil“ , sondern wegen der Ähnlichkeit zu einer Eigenbedarfskündigung einen „gewichtigen Nachteil“ begründen, weil die Kündigung innerhalb der zehnjährigen Sperrfrist erklärt worden ist. Das Bestehen eines berechtigten Interesses des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses sei im Rahmen des generalklauselartigen Kündigungstatbestands des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB (anders als bei der Eigenbedarfskündigung, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) „aufgrund einer einzelfallbezogenen Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien festzustellen“. Es genüge hier bereits ein „beachtenswerter Nachteil“. Daher sei dem Erlangungsinteresse des Vermieters in solchen Fällen regelmäßig der Vorzug vor dem Bestandsinteresse des Mieters zu geben, wenn der ernsthaft verfolgte Nutzungswunsch von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist und dem Vermieter bei einem ihm verwehrten Bezug der Mieträume ein nach den Umständen des Falles anerkennenswerter Nachteil entstünde, was bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen beruhenden Lebens- und Berufsplanung des Vermieters aufgrund lebensnaher Betrachtung häufig der Fall sein dürfte. 

Die Vorschrift des § 577a BGB (Kündigungssperrfrist) diene „gerade nicht einem umfassenden Schutz des Mieters vor einer ordentlichen Kündigung nach der Bildung von Wohnungseigentum und anschließende Veräußerung des neu geschaffenen Eigentums“ . Sie könne daher auch nicht auf Fälle (analog) angewendet werden, in denen der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Kündigung aus Umständen herleitet, die einer Eigenbedarfssituation ähneln. Die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, eine Kündigungsbeschränkung bei Veräußerung von nach Mietvertragsbeginn umgewandeltem Wohnraum nur für bestimmte Kündigungstatbestände vorzusehen, schließe es aus, in anderen als den in § 577a BGB genannten Fällen die Anforderung an das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Vermieters zu erhöhen. Ob dem Erlangungsinteresses des Vermieters gegenüber dem Bestandsinteresse der Mieter der Vorzug zu geben sei, könne ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht beurteilt werden. Das Landgericht habe daher die entsprechenden Feststellungen nachzuholen und die erforderliche Abwägung durchzuführen.

Der Bundesgerichtshof folgte auch nicht der Auffassung der Mieter, dass die ursprüngliche Kündigung bereits unwirksam gewesen sei, weil dort eine nur neunmonatige statt der vertraglich vereinbarten zwölfmonatigen Kündigungsfrist zugrunde gelegt wurde. Entgegen dieser Ansicht führt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs weder eine unzutreffende, noch eine gänzlich fehlende Angabe des Beendigungszeitpunkts zur Unwirksamkeit einer solchen Kündigung. Die Angabe des Kündigungstermins sei nämlich in der Vorschrift über Form und Inhalt der Kündigung (§ 568 BGB) nicht aufgeführt. Ergebe die Auslegung der Kündigungserklärung, dass der Vermieter ordentlich und unter Einhaltung einer Frist kündigen will, würde es mangels entgegenstehender Anhaltspunkte regelmäßig seinem erkennbaren (hypothetischen) Willen entsprechen, dass die Kündigung das Mietverhältnis mit Ablauf der (gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten) Kündigungsfrist zum nächsten zulässigen Termin beendet.

Anmerkung: Es trifft zu, dass der Gesetzgeber in § 577a BGB die dort geregelte Kündigungssperre nach Umwandlung und Veräußerung von Wohnraum auf die Kündigungen gemäß § 573 Abs. 2, Nr. 2 (Eigenbedarfskündigung) und 3 (Verwertungskündigung) BGB beschränkt hat. In § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB heißt es jedoch „… der Vermieter die Räume als Wohnung für sich … benötigt“. Das eröffnet – zumindest bei der Interpretation des BGH „es müsste eine überwiegende Wohnraumnutzung geplant sein“ – ein nicht recht nachvollziehbares Schlupfloch für Vermieter. Weshalb ein Vermieter, der auch sein Büro in der Wohnung einrichten will, privilegiert sein soll gegenüber einem Vermieter, der die Wohnung tatsächlich für sich und seine Familie nutzen will, erschließt sich nicht. Insoweit ist aber der Gesetzgeber gefragt.