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Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen unerlaubter Gebrauchsüberlassung

Stützt ein Vermieter seine Kündigung auf eine angebliche – vom Mieter bestrittene – unerlaubte Gebrauchsüberlassung der Mietwohnung, ist es für die Überzeugungsbildung des Gerichts, dass eine solche unerlaubte Gebrauchsüberlassung vorliegt, zumindest erforderlich, dass das Gericht insoweit einen Grad von Gewissheit erlangt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. 


AG Berlin, Urteil vom 19.10.2023 – AZ 65 S 134/22 –

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Marek Schauer

Nachdem eine von zwei Hauptmietparteien aus einer Wohnung in Neukölln ausgezogen war, baten diese und der verbliebene Hauptmieter die Vermieterin um Austausch der ausgezogenen Mieterin gegen eine Freundin des verbliebenen Hauptmieters. Die Vermieterin war jedoch mit der Aufnahme dieser Freundin nicht einverstanden, da diese einen Hund hält. Letztlich stimmte die Vermieterin jedoch der Aufnahme einer anderen neuen Mitbewohnerin unter der Bedingung zu, dass mit dieser sowie dem verbliebenen alten Mieter ein neuer Mietvertrag geschlossen wird, was im Februar 2018 dann auch geschah.

2019 teilten die Mieter dann mit, dass die 2018 eingetretene zweite Hauptmieterin wieder ausgezogen sei und dass der verbliebene Hauptmieter die Wohnung als Zweitwohnsitz nutze. In der Folgezeit wurde sodann die nicht in das Mietverhältnis aufgenommen Freundin mit ihrem Hund von Mitarbeitern der Hausverwaltung und dem Hauswart mehrfach im Haus gesehen und auch von Handwerkern in der Wohnung angetroffen, denen sie bei Handwerkerterminen Zutritt gewährt hatte.

Die Vermieterin kündigte im Januar 2020 das Mietverhältnis wegen unerlaubter Gebrauchsüberlassung. Das Amtsgericht Neukölln vernahm in dem Räumungsverfahren sowohl die von der Vermieterin für ihre Behauptung angeführten Zeugen (Hauswart und Handwerker), als auch die mit dem Mieter befreundete Hundehalterin. Die Zeugen der Vermieterin konnten in ihren Vernehmungen dann – neben ihrem subjektiven Eindruck, dass die Freundin mit Hund dort wohnte – lediglich wenige Einzelfälle von Begegnungen mit dieser im Hausflur angeben und nur bezeugen, dass diese mit dem Hund bei vereinbarten Handwerkerterminen zweimal die Tür geöffnet hätte. Dies hat die Freundin des Mieters auch bestätigt. Da sie mit dem Mieter seit acht Jahren gut befreundet sei, sei sie häufig in der Wohnung zu Besuch. Sie habe lediglich zweimal von ihm den Schlüssel erhalten, um Handwerkern die Tür zu öffnen, weil er verhindert war. Sie habe nie dort gewohnt.

Im Ergebnis vertrat das Amtsgericht Neukölln die Auffassung, dass die Vermieterin den ihr obliegenden Beweis, dass die Freundin mit ihrem Hund in der Wohnung wohnt, nicht erbringen konnte und wies die Räumungsklage ab. Die Berufung der Vermieterin blieb ohne Erfolg. Auch das Landgericht Berlin vertrat aufgrund der Zeugenaussagen die Auffassung, dass „in der Gesamtschau (…) zumindest Zweifel an einer unerlaubten Gebrauchsüberlassung“ verblieben, und wies die Berufung zurück. Obgleich es für die Überzeugungsbildung des Gerichts keiner absoluten Gewissheit oder an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedürfe, sei nach Auffassung der Richterin „zumindest erforderlich, dass das Gericht einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit erlangt, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“. Dieser Grad von Gewissheit sei hier nicht erreicht, da die sich aus den Zeugenaussagen ergebenden Tatsachen jedenfalls keinen typischen Geschehensablauf dahingehend begründen würden, dass eine unerlaubte Gebrauchsüberlassung vorliege.