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Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Eigenbedarfs

Vermag das Gericht trotz Ausschöpfung der Beweismittel nicht positiv festzustellen, dass der Vermieter aus lauteren Motiven handelt, kann dies die Abweisung der auf Eigenbedarf gestützten Räumungsklage rechtfertigen.

LG Berlin, Urteil vom 11.05.2023 – AZ 64 S 280/21 –

Quelle: juris

Kurz nach Erwerb einer vermieteten Dreizimmerwohnung kündigte der neue Vermieter im Jahr 2020 den Mietern wegen Eigenbedarfs mit der Begründung, er habe die Wohnung gekauft, um seine Schwestern mit Wohnraum zu versorgen. Diese seien Studentinnen und bezögen BAföG, welches nicht ausreiche, um auf dem Berliner Wohnungsmarkt eine Wohnung zu bekommen. Er fühle sich als Bruder verpflichtet, ihnen zu helfen. Das Amtsgericht Charlottenburg wies seine Räumungsklage ab, auch seine Berufung hatte keinen Erfolg. Zwar zweifelte das Landgericht nicht daran, dass die als Zeuginnen gehörten Schwestern des Vermieters im Falle eines Erfolgs seiner Klage wie angekündigt in die Wohnung einziehen würden. Nicht überzeugt war das Gericht hingegen davon, dass der Kläger tatsächlich aus lauteren Motiven familiärer Verbundenheit handelt und es ihm beim Kauf der Wohnung sowie der anschließenden Eigenbedarfskündigung um die Unterstützung seiner Schwestern ging.
Das Landgericht sei nämlich in seiner täglichen Praxis nicht selten mit vorgetäuschten oder konstruierten Eigenbedarfskon-stellation befasst, sodass auch in diesem Fall der Gedanke nicht von vorneherein von der Hand zu weisen ist, dass die Wohnung durch den schlüssig dargelegten Eigenbedarf zum Zwecke der Wert- und Ertragssteigerung entmietet werden soll. Ein arglistig handelnder Vermieter müsse die Bedarfspersonen – hier die Schwestern – in solche Pläne noch nicht einmal einweihen, sodass diese als glaubwürdige Zeugen bereitstünden. Denn er könne darauf vertrauen, dass später die Bedarfspersonen die Wohnung aus Dankbarkeit für die genossene Unterstützung ohne Widerstand aufgeben würden.
Das Landgericht betonte, dass es keinerlei konkrete Anhaltspunkte für einen gegen den Kläger gerichteten Verdacht hat, er handele arglistig und der geltend gemachte Eigenbedarf sei vorgeschoben. Der Vermieter habe im Rahmen seiner persönlichen Anhörung auch glaubwürdig gewirkt. Es spreche auch objektiv nichts dagegen, dass er zumindest mittelfristig einen erheblichen Teil seines Nettoeinkommens dem Unterhalt seiner Schwestern widmen wolle. Auf der anderen Seite hätten die Mieter aber das tatsächliche Vorliegen des behaupteten Eigenbedarfs bestritten und es gebe keinen Beweis für die vorgetragene Motivation des Klägers. Die beiden Schwestern hatten gegenüber dem Gericht nicht angeben können, wie es dazu komme, dass ihr Bruder ausgerechnet ihnen die Wohnung überlassen will. Sie hatten nur klargestellt, dass sie angesichts der Wohnungsmarktlage das Angebot natürlich nicht abgelehnt hätten, da sie ohnehin auf der Suche waren.        

Anmerkung: Man kann nur hoffen, dass dieses erfreuliche Urteil der derzeit für Urteile der Amtsgerichte Charlottenburg und Köpenick zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Bewegung in die Rechtsprechung zu Eigenbedarfskündigungen bringt. Häufig wird es Vermietern bisher sehr einfach gemacht, Richter und Richterinnen von dem tatsächlichen Bestehen des behaupteten Eigennutzungswunsches zu überzeugen. Demgegenüber hebt die Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin überdeutlich hervor, dass beim Gericht keinerlei „restliche Zweifel“ an den vom Vermieter vorgetragenen Motiven verbleiben dürfen.