Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Mietrecht

Urteile

Fortsetzung des 
Mietverhältnisses nach Abschluss einer Miet
aufhebungsvereinbarung

1. Wohnt ein Mieter nach Abschluss einer Mietaufhebungsvereinbarung nach dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt weiter in der Wohnung und zahlt die Miete, verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, wenn der Vermieter der Verlängerung nicht binnen zwei Wochen ab Kenntnis widerspricht.
2. Die Behauptung des Vermieters, die vermieteten Räume seien nach der Bauordnung Berlin nicht zu Wohnzwecken geeignet, rechtfertigt keine Kündigung.


AG Schöneberg, Urteil vom 10.05.2023 – AZ 2 C 512/18 –

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Jan Becker

Der Mieter einer im Souterrain gelegenen Einzimmerwohnung verlangte von seiner Vermieterin im Sommer 2018 die Beseitigung der seit Oktober 2017 aufgetretenen erheblichen Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbildung im Wohnzimmer. Bereits am 7. Januar 2018 hatten die Vermieterin und der Mieter eine schriftliche Vereinbarung getroffen, wonach wegen der gesundheitlichen Risiken durch Feuchtigkeit und Schimmel der Mietvertrag zum 30. April 2018 aufgehoben wird. Der Mieter zog aber – was die Vermieterin wusste – nicht aus der Wohnung aus und zahlte auch weiter die Miete, ab Juni 2018 wegen der Mängel unter Vorbehalt. Im August forderte die Vermieterin ihn auf, die Wohnung endgültig zu verlassen; mit Schreiben ihres Anwalts vom 26. September 2018 wiederholte sie diese Forderung und kündigte das Mietverhältnis gleichzeitig wegen Eigenbedarfs. Der Mieter klagte auf Beseitigung der Mängel sowie Feststellung einer Minderung um 80% ab Juni 2018 bis zur Beseitigung der Mängel. Die Vermieterin verlangte ihrerseits mit ihrer Widerklage, den Mieter zur Räumung zu verurteilen sowie zur Erstattung ihrer außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten. Im Rahmen des Rechtsstreits kündigte die Vermieterin am 28. November 2019 erneut mit der Begründung, dass der Mieter die Instandsetzung durch die verweigerte Räumung verhindere. Schließlich kündigte sie mit einem Schreiben vom 1. Mai 2020 nochmals, da die Räumlichkeiten nach der Bauordnung Berlin nicht zu Wohnzwecken geeignet seien.
Das Amtsgericht Schöneberg gab dem Mieter in vollem Umfang Recht, die Widerklage der Vermieterin wies es ab. Die Vermieterin könne ihren Räumungsanspruch nicht auf die Vereinbarung vom 7. Januar 2018 stützen; das Mietverhältnis habe sich gemäß § 545 BGB auf unbestimmte Zeit verlängert, weil die Vermieterin der Fortsetzung des Mietverhältnisses durch den Mieter nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen widersprochen habe. § 545 BGB gelte nämlich nicht nur für Kündigungen, sondern auch für einvernehmliche Mietaufhebungsvereinbarungen. Auch ihre nachfolgenden Kündigungen hätten das Mietverhältnis nicht beendet: Die Kündigung wegen Eigenbedarfs zu Wohnzwecken sei schon deshalb unwirksam, weil die Vermieterin ihr späteres Kündigungsschreiben damit begründet habe, dass die Wohnung zu Wohnzwecken ungeeignet sei. Daher könne sie auch selbst die Wohnung nicht zu Wohnzwecken gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nutzen. Soweit sie mit der weiteren Kündigung vom 28. November 2019 geltend gemacht habe, dass der Mieter die Instandsetzung verhindert hätte, rechtfertige auch dies keine Kündigung. Die Vermieterin hatte nicht dargelegt, wann der Mieter zum Beispiel Handwerkern den Zugang zur Wohnung verweigert haben sollte. Vielmehr sei ohne Feststellung des Umfangs der Mängel und der notwendigen Arbeiten zur Beseitigung seitens der Vermieterin gar nicht klar, ob eine vollständige Räumung der Wohnung überhaupt erforderlich wäre. Selbst wenn der Mieter den Zugang verweigert hätte, wäre für eine fristlose Kündigung eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen.

Schließlich sei auch die Kündigung vom 1. Mai 2020 wegen eines vermeintlichen Verstoßes der Räumlichkeiten gegen die Bauordnung Berlin als Vorratskündigung unwirksam. Bisher sei nämlich keine Untersagung der Nutzung der Räume durch das Bauamt erfolgt, erst eine solche könne ein Kündigungsrecht begründen. Da die Vermieterin den Umfang der Mängel, den der Mieter detailliert dargelegt hatte, nur pauschal bestritten hatte, verurteilte das Gericht sie zur Mängelbeseitigung. Die Vermieterin hätte sich zunächst selbst ein genaues Bild vom Umfang der Mängel machen müssen. Auch die vom Mieter geltend gemachte Minderungsquote von 80% hielt das Gericht anlässlich der großflächigen Durchfeuchtung von zwei Wänden des einzigen Zimmers mit Putzablösungen, Rissen, sich lösenden Tapeten sowie verbreiteter Schimmelpilzbildung mit muffigem und beißendem Geruch für angemessen.

Anmerkung: Häufig wird die Regelung des § 545 BGB, wonach sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses den Gebrauch fortsetzt und keine der beiden Vertragsparteien innerhalb von zwei Wochen widerspricht, im Mietvertrag ausgeschlossen. Dies ist nach der Rechtsprechung zulässig (aber Achtung: Nicht alle solche in Formularmietverträgen verwendeten Klauseln sind wirksam). In diesem Mietvertrag aus dem Jahr 1991 gab es keine derartige Klausel, so dass § 545 BGB angewendet wurde.