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Mietrecht

Urteile

Eintritt des Vermieters gemäß § 565 BGB in das (Unter)Mietverhältnis nach gewerblicher Zwischenvermietung

Vermietet ein Vermieter in einem Haus – neben mindestens drei weiteren Wohnungen – eine Wohnung an seine Schwägerin, welche diese sodann zu einem höheren Mietpreis vollständig weitervermietet, ohne jemals selbst in dieser oder einer der drei weiteren Wohnungen zu wohnen und ist der befristete Vertrag mit der Schwägerin mit „Zeitmietvertrag“ überschrieben und gestattet die Nutzung „zu Wohnzwecken mit teilgewerblicher Nutzung für 5 Personen“ sowie die unbeschränkte Untervermietung, ist von einer gewerblichen Zwischenvermietung gemäß § 565 BGB auszugehen. 


LG Berlin, Urteil vom 09.05.2023 – AZ 65 S 191/22 –

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Ronska Verena Grimm

Die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin hatte sich in diesem Fall mit einem inzwischen leider sehr beliebten Modell zur Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes im Wohnraummietrecht zu befassen. Der Eigentümer mehrerer Wohnungen in einem Haus in Neukölln vermietete mindestens vier seiner Wohnungen an seine Schwägerin, welche jedoch nie in dem Haus wohnte, sondern die Wohnungen jeweils vollständig untervermietete. Die von ihr verlangte Untermiete überstieg jeweils die von ihr an ihren Schwager zu zahlende – in einem befristeten Zeitvertrag mit unbeschränkter Untermieterlaubnis vereinbarte – Miete. Eine der Wohnungen vermietete sie an zwei Untermieter zur Nutzung mit vier Personen. Der Vertrag wurde mit der Überschrift „Nutzungsvertrag für eine Wohnung auf bestimmte Zeit zur Untermiete“ versehen, die Schwägerin bezeichnete sich in dem Vertrag als „Wohnraumanbieter(in)“ und die beiden Mieter als „Wohnraumnutzer(innen)“ .

An ihren Schwager zahlte sie 1.560 Euro Warmmiete monatlich. Von ihren Untermietern verlangte sie 1.800 Euro monatlich. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2020 kündigte die Schwägerin das Hauptmietverhältnis gegenüber dem Eigentümer fristgemäß zum 30. April 2021. Dieser forderte seinerseits im Juni und Juli 2021 die in der Wohnung wohnenden Untermieter und deren Mitbewohner zur Räumung und Herausgabe der Wohnung auf.
Seine Räumungsklage hatte jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht urteilte, dass der Eigentümer nach § 565 Abs. 1 BGB in das zwischen seiner Schwägerin und den (Unter-)Mietern begründete Mietverhältnis eingetreten sei, für welches daher der Kündigungsschutz des sozialen Wohnraummietrechts gelte. Das Gericht war – auch nach Anhörung des Eigentümers und weiterer Zeugen – überzeugt, dass der Eigentümer seine Schwägerin als Zwischenmieterin nur deshalb eingeschaltet hatte, um die zwingenden Vorschriften des Wohnraummietrechts zu umgehen und die formal vom Zwischenmieter begründeten (Unter-)Mietverhältnisse jederzeit faktisch dadurch nach eigenem Belieben zu beenden, dass er von diesen die – an keine weitere Voraussetzung als die der Beendigung des Hauptmietverhältnisses geknüpfte – Räumung nach § 546 Abs. 2 BGB verlangt.

Das Gericht war nach der Vernehmung auch anderer Mieter im Haus davon überzeugt, dass der Eigentümer mindestens vier Wohnungen an seine Schwägerin vermietet hatte. Zwar finde in dem Vertrag mit seiner Schwägerin der Begriff der „Zwischenvermietung“ keine Verwendung. Die Befristung des Vertrages und der Titel „Zeitmietvertrag“ , sowie die unbeschränkte Erlaubnis zur Untervermietung sprächen jedoch für eine Zwischenvermietung, ebenso wie die Tatsache, dass seine Schwägerin sowohl vor, als auch nach Abschluss des Vertrages in einer Wohnung in Charlottenburg und keineswegs in dem Haus in Neukölln wohnte. Dass er in seiner Anhörung selbst angegeben hatte, dass der Kündigung des Hauptmietverhältnisses durch seine Schwägerin von ihm ein Hinweis an diese vorausgegangen sei, dass er die Untermieter aus seiner Wohnung heraus haben wolle, war für das Gericht ein weiterer Beleg, dass er mit dem „Unter(ver)mietmodell“ eigene Interessen verfolgte. Dieser Hinweis erfolgte nämlich unmittelbar auf eine Mängelmeldung wegen eines Wasserschadens der Bewohner der Wohnung.
Deshalb kam es dem Gericht auch nicht darauf an, ob die Schwägerin mit der Zwischenvermietung tatsächlich einen Gewinn erzielte. Es reiche nämlich ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Zwischenmieters für die direkte Anwendung des § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB selbst dann aus, wenn es nicht auf eine Gewinnerzielung aus der Vermietung selbst gerichtet ist. Dem gleichzusetzen sei nämlich das Interesse des Zwischenmieters, sich unter Umgehung zwingender Mieterschutzvorschriften seinen Verpflichtungen gegenüber dem (Unter-)Mieter (hier der Mängelbeseitigung) zu entziehen. Dieses Interesse der Schwägerin habe sich hier mit dem Interesse des Eigentümers gedeckt.

 

Anmerkung: Entscheidend für die Anwendbarkeit des § 565 BGB ist, dass der Hauptvermieter (Eigentümer) selbst zum Zwecke der Weitervermietung an den Zwischenvermieter vermietet. Die Vorschrift ist also nicht anwendbar auf den ebenfalls häufigen Fall, dass ein „normaler“ Hauptmieter irgendwann aus der Wohnung auszieht und mit oder ohne Erlaubnis des Vermieters die ganze Wohnung untervermietet.


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