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MieterEcho 443 / August 2024

Symbol für Sieg und Niederlage des Sozialismus

Eine Ausstellung im Humboldt Forum widmet sich der Geschichte und dem Abriss des Palastes der Republik

Von Peter Nowak

„Palast der Republik – Er wurde bewusst 1976 an die Stelle des 1950 gesprengten Schloss gesetzt. “ Das ist einer von vielen Kommentaren, die im ersten Raum der Ausstellung „Hin und weg“ zu finden sind, die noch bis Februar 2025 im Erdgeschoss des Humboldt Forum zu sehen ist. Die Ausstellungsmacher/innen haben mehrere über Monate ehemalige Besucher/innen des Palastes befragt, was sie mit dem Gebäude verbunden haben. Der zitierte Satz steht stellvertretend für ähnliche Erklärungen, die an den Wänden des ersten Ausstellungsraums zu lesen sind.

Für diese kritische Haltung gibt es auch genügend Grund. Mit dem Abriss wurde ein Symbol der DDR beseitigt, an das viele der Besucher/innen positive Erinnerungen haben. Das wird auch in den zahlreichen Texten, Videos, Kurzinterviews und Fotostrecken deutlich, die in den zwei großen Räumen der Ausstellung zu sehen und zu hören sind. Menschen erinnern sich an das erste Eis, das sie dort gegessen haben. Andere zählen die Namen der Bands auf, die sie dort gehört haben. Denn der Palast war in der DDR ein Ort der Kultur und Kunst, ein Raum, in dem die Menschen gerne ihre Freizeit verbracht haben.

Viele der Befragten erinnern sich daran, dass der Besuch des Palastes kostenlos war. Das heben viele auch deshalb noch einmal besonders hervor, weil freier Eintritt im kapitalistischen Alltag äußerst selten ist. Ein Ticket für den Besuch der Ausstellung kostet 12 und ermäßigt 6 Euro. Zudem äußern mehrere der Befragten, dass sie sich nicht daran erinnern konnten, beim Einlass kontrolliert worden zu sein. Es habe nur wenig Polizei rund um den Palast gegeben, sagt eine Frau. Und das in einem Gebäude, in dem auch die Volkskammer der DDR und das Zentralkomitee der SED tagte. Solche Aussagen werden vor allem jene Besucher/innen irritieren, die die DDR vor allem mit Stasi und lückenloser Dauerüberwachung verbinden.

Die Alltagskultur im Mittelpunkt

Auf einer Balustrade im zweiten Ausstellungsraum sind kurze Statements von ehemaligen DDR-Bürger/innen zu hören, in denen sie ihre Gedanken zum Palast äußern. Auch hier überwiegen angenehme Erinnerungen fernab der großen Politik. Hier wird der Palast zu einer Lebenswelt jenseits der großen Politik verklärt. Das ist eine Erzählweise, die sich auch in Teilen der Geschichtswissenschaft und der Literatur durchzusetzen beginnt. Dabei wird die Verdammung der SED und auch der DDR in der Regel gar nicht hinterfragt. Es wird dann nur betont, dass es unabhängig von dieser politischen Ebene den Alltag vieler Menschen in der DDR gegeben hat, der verteidigt werden musste, und der Palast war ein wichtiger Bestandteil dieses Alltags. 

Die Ausstellungsmacher/innen wollen erkennbar diese positive Lebenswelt besonders herausstellen. Das wird auch an den Gegenständen aus dem Palast deutlich, die in der Ausstellung gezeigt werden. Oft wurden sie von ehemaligen Mitarbeiter/innen und Besucher/innen gestiftet. So kann man im ersten Raum einen beim Abriss geretteten Türflügel des Palastes bewundern. An anderer Stelle sind Stühle, Fahnen, Geschirr und selbst Handtücher zu sehen, die dort benutzt wurden. Das soll die Menschen anlocken, die sich und ihre Freund/innen noch einmal an die glückliche Zeit im Palast erinnern wollen. 

Doch die politische Dimension des Palastabrisses und der Wiedererrichtung des Schlosses lässt sich in der Ausstellung natürlich nicht aussparen. Dafür sorgen schon die Statements kritischer Besucher/innen. „Die Monarchie siegt über das Demokratische, das hätte entstehen können“, kann man auf einer Wand lesen. Hier schwingt sie noch mit, die Hoffnung auf eine bessere DDR, die viele linke DDR-Oppositionelle im Herbst 1989 motivierte.  

Sehr knapp wird die Frage behandelt, wie es überhaupt zum Wiederaufbau des Schlosses kommen konnte. Hier wird vieles ausgespart, was heute längst bekannt ist. Die ersten Pläne gab es in der BRD in Kreisen rechter Monarchie-Nostalgiker/innen, die mit den Wiederaufbauplänen des Schlosses auch eine politische Aussage intendieren, wie sie in dem zitierten kurzen Statement prägnant auf den Punkt gebracht wird. Die Monarchie soll zumindest architektonisch über den Sozialismus siegen. In diesen Kreisen galt der Abriss des Schlosses schon immer als ein besonders großes Verbrechen des DDR-Staates. Dabei wird in einigen in der Ausstellung gezeigten Filmschnipseln über den Abriss deutlich, dass hier eine kriegszerstörte Schlossruine abgetragen wurde. Die DDR kann wohl kaum dafür kritisiert werden, dass sie in den 1950er Jahren die knappen Mittel für den Wohnungsbau für ausgebombte Menschen verwendete und nicht zur Wiederherstellung von Palästen der Feudalherren. 

Nur äußerst knapp wird in der Ausstellung auch die Frage behandelt, wie es überhaupt zur schnellen Schließung des Palastes gekommen ist. Immerhin wird erwähnt, dass der offizielle Grund, eine gesundheitliche Gefährdung durch das beim Bau des Palastes verwendete Asbest, von großen Teilen der Bevölkerung im Osten bezweifelt wurde. Hier hätte man noch hinzufügen können, dass unter anderem bei mehreren Gebäuden der Freien Universität Berlin ebenfalls Asbest verwendet wurde, was keineswegs zu deren Schließung, sondern zu einer umfassenden Sanierung führte. 

Auch hier führen Erklärungen von Besucher/innen auf die richtige Spur. Wegen der angeblichen Asbest-Gefährdung wurde der Palast so zerstört, dass nur ein hässliches Gerippe übrigblieb. Danach sagten sogar viele Menschen, die gute Erinnerungen an den Palast hatten, dann solle er besser abgerissen werden, statt als Ruine in der Mitte Berlins zu vergammeln. Derweil hatte die Schloss-Lobby mit viel Geld und großer medialer Unterstützung in den Jahren 1993/1994 eine Schloss-Attrappe für einige Wochen vor die Palastruine hängen lassen. Hier wurde also mit Propaganda dafür gesorgt, dass der Palastabriss und der Schlossaufbau scheinbar alternativlos erschienen. Das erinnert an das Vorgehen von Immobilienkonzernen, die noch erhaltene Wohnhäuser leerstehen lassen, alle Reparaturen verweigern, damit sie am Ende zu einer Ruine werden und der Abriss als die einzig logistische Konsequenz erscheint. 

Gegen selektive Geschichtsschreibung

Keine Erwähnung finden in der Ausstellung die Initiativen von Freund/innen des Palastes, aber auch von kritischen Wissenschaftler/innen, Architekt/innen und Historiker/innen seit den 1990er Jahren, den Abriss des Palastes zu verhindern. Dafür nimmt die kulturelle Zwischennutzung in den letzten Jahren vor dem Abriss (2004-2005) viel Raum in der Ausstellung ein. Man könnte den falschen Eindruck bekommen, die Künstler/innen seien die einzigen Gegner/innen des Abrisses gewesen. Tatsächlich sollte das Zwischennutzungskonzept die Palastruine vor dem Abriss noch gewinnbringend vermarkten. Doch es stimmt auch, dass sich viele der beteiligten Künstler/innen  gegen den Schloss-Neubau gewandt haben. 

Ihre Position haben sie zu Beginn der Ausstellung „Hin und Weg“ in einer Erklärung und einer Internetseite mit dem Titel „Schlossaneignung“ noch einmal bekräftigt. Dort fordern sie, mit architektonischen und künstlerischen Mitteln die Preußenverherrlichung des Schloss-Neubaus aufzubrechen. Dazu müssten die bislang verdrängten Teile deutscher Geschichte sichtbar gemacht werden. Die Spuren der Zeit nach dem Kaiserreich, von der Revolution 1918, der Weimarer Republik, dem Zweiten Weltkrieg, der Nachkriegszeit, der DDR bis hin zur Wiedervereinigung müssten in das Bauwerk eingeschrieben werden, heißt es etwas vage in dem Aufruf. Und natürlich findet dort auch der Palast der Republik, der sowohl architektonisch als auch von seiner Nutzung her ja gerade ein Aufbrechen der Preußenverherrlichung darstellte, Erwähnung. Schließlich war er für einige Jahre ein Stück realisierte Utopie: Ein Ort, wo Menschen ohne Konsumzwänge mitten in der Stadt ihre Freizeit gestalten konnten.


MieterEcho 443 / August 2024