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MieterEcho 440 / Mai 2024

Neuer Anlauf gegen den Mietenwahnsinn

Bündnis ruft für den 1. Juni zu einer Großdemonstration gegen steigende Mieten und Verdrängung auf

Von Philipp Möller

Explodierende Heizkosten, einbrechende Neubauzahlen und steigende Mieten bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen. Das sind nur einige der im vergangenen Jahr neu entbrannten Konflikte, die die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen. Auch die bereits seit Langem virulenten Probleme, wie die hohen Neuvertragsmieten oder auslaufende Sozialbindungen sind weiter ungelöst. Neue Anläufe, sie zumindest zu mildern, sind derzeit weder in den Ländern noch im Bund absehbar. Es gibt also genug Gründe, um am 1. Juni zur Demonstration gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung auf die Straße zu gehen.

Nach mehreren Jahren schwacher Mobilisierungen hofft das Bündnis aus verschiedenen Initiativen darauf, in diesem Jahr wieder, mehr Menschen gegen steigende Mieten und Wohnungsnot auf die Straße zu bringen. Im Schatten des Mietendeckels und des Vergesellschaftungsvolksentscheids nahmen im Jahr 2019 rund 40.000 Menschen an der Demonstration teil. Am Rande des Protestes besetzten Aktivist/innen ein leerstehendes Ladengeschäft im Kreuzberger Wrangelkiez. In den folgenden Jahren überlagerten die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Inflation die Sorgen über den Wohnungsmarkt. Um die Mietenbewegung ist es ruhiger geworden. Bundesgerichte stoppten den Mietendeckel und das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten. Der Senat sitzt die Umsetzung des Volksentscheids aus, ohne dass die Stadtgesellschaft dem etwas entgegensetzte. Es fehlen die Hoffnungsschimmer, die so wichtig sind, um Menschen für die kräftezehrende politische Arbeit zu begeistern.

Gleichzeitig ist die Krise auf dem Wohnungsmarkt zu einem Dauerproblem geworden. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Wohnungsfrage lässt sich im Kapitalismus nicht lösen, wie Friedrich Engels in seinem Text zur Wohnungsfrage bereits 1872 feststellte und damit eine bis heute gültige Wahrheit verkündete. Vielmehr produziert ein System, in dem der Wohnraum eine Ware ist, die Probleme stetig neu. 

Senat verschärft die Krise

Dennoch gibt es auch innerhalb des kapitalistischen Systems politische Alternativen zum herrschenden Marktgeschehen. Dazu gehört ein großer öffentlicher Wohnungsbestand, der bezahlbare Wohnungen für breite Schichten bereitstellt. Ein starker kommunaler Wohnungsbau, der trotz Krise der Bauwirtschaft neue, bezahlbare Wohnungen schafft und eine harte Regulierung, die die Mietpreisspirale durchbricht. 

Doch die Realität sieht anders aus. Der Senat aus CDU und SPD verschärft die Krise weiter, indem er den landeseigenen Wohnungsunternehmen bei Mietsteigerungen freie Hand lässt und Mieter/innen für Neubau wie Modernisierung zahlen lässt. Angesichts vermeintlich knapper Haushaltskassen durch das Urteil gegen Sondervermögen kommt beim Klimaschutz im Gebäudesektor vermehrt privates Kapital in Spiel, um Mittel zu akquirieren. Bürgermeister Kai Wegner (CDU) kündigte gegenüber dem Tagesspiegel an: „Öffentlich-Private Partnerschaften sind eine Chance für Berlin, die sollten wir nicht verstreichen lassen.“ 

Doch unter den Mieter/innen regt sich wieder etwas mehr Widerstand. Nach Jahren der abnehmenden Aktivitäten ploppen seit dem vergangenen Jahr neue Organisierungsansätze aus dem Boden. In einigen Bezirken fanden Mieterversammlungen in Beständen der ADLER-Group statt, denn der kriselnde Konzern erhöht die Mieten sehr stark, tut wenig für die Instandhaltung und sorgte durch horrende Heizkostennachzahlungen für Aufregung. 

Vonovia-Mieter/innen wehren sich berlinweit gegen falsche Abrechnungen bei den Betriebskosten und konnten in Tempelhof sowie am Baumschulenweg eine Korrektur der Abrechnungsbeträge erreichen. Mieterhöhungen, schlechter Service und fehlende Instandhaltung rufen nun auch Mieter/innen bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen auf den Plan. Sie vernetzen sich derzeit in einer stadtweiten Initiative. Und natürlich schwebt auch die Ankündigung eines neuen Gesetzesvolksentscheids durch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ über der Stadt. Die Demonstration im Juni dürfte damit zu einem Lackmustest werden, inwiefern die Mietenbewegung tatsächlich zu einem neuen Anlauf ansetzt. 


MieterEcho 440 / Mai 2024