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MieterEcho 442 / Juni 2024

Mietwucher mit möblierten Wohnungen

Immer mehr Anbieter nutzen Regulierungslücke im Mietrecht

Von Niklas Schenker

Wer in Berlin auf Wohnungssuche ist, stellt schnell fest: Möbliertes Wohnen auf Zeit ist auf dem Vormarsch. Die eindeutigen Zahlen dazu liefert der neue Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin.   

Von 2012 bis 2022 ist die Anzahl der Inserate für möbliertes Wohnen – vor allem befristet – auf einschlägigen Plattformen drastisch angestiegen. Wurden in Berlin 2012 noch 9.602 solcher Wohnungen angeboten, waren es 2022 bereits 27.402. Ein Plus von rund 185%. Die Inserate für reguläre Mietwohnungen sind im selben Zeitraum um 60% gesunken. Während in deutschen Großstädten rund ein Drittel aller Inserate auf diese Angebote fielen, waren es in Berlin 2022 sogar mehr als die Hälfte.

Eine Vielzahl von Wohnungen steht damit nicht mehr dem regulären Mietwohnungsmarkt zur Verfügung. Das verursacht mehrere Probleme. Möblierte Wohnungen werden deutlich teurer vermietet als reguläre Mietwohnungen. Laut IBB Wohnungsmarktbericht 2023 lag die mittlere Angebotsmiete für 2022 auf Plattformen inserierte möblierte Wohnungen bei 24,44 Euro/qm. Für kaum einen Haushalt ist das leistbar. Die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter für reguläre Mietwohnungen lag bei 11,54 Euro/qm netto kalt. Teilweise lässt sich dieser dramatische Unterschied durch eine unterschiedliche Preisstruktur erklären: Möblierte Wohnungen auf Zeit werden häufig mit einer „All-In-Miete“ angeboten. Das bedeutet, sie beinhaltet einen Möblierungszuschlag, die kalten und warmen Betriebskosten, aber auch Stromkosten, Internetzugang, sowie häufig Zusatzleistungen wie eine Reinigung der Wohnung. Das erklärt das Phänomen aber nur zum Teil. 

Ganz offensichtlich ist es ein besonders attraktives Geschäftsmodell geworden, möblierte Wohnungen zu einem weit überdurchschnittlichen Preis anzubieten. Das verspricht besonders hohe Gewinne. Für die Mieter/innen gehen nicht nur Wohnungen verloren – die besonders hohen Mieten gehen auch in den Mietspiegel ein und treiben damit alle Mieten nach oben.

Umgehung der Mietpreisbremse

Zu den Nachfragenden möblierter Wohnungen auf Zeit gehören vor allem junge, gut ausgebildete und berufstätige Menschen mit überdurchschnittlichen Einkommen, Fachkräfte aus dem Ausland oder Studierende, die auf dieses Angebot ausweichen müssen. Einkommensschwache Mieter/innen finden sich aufgrund der hohen Mieten kaum unter den Bewohnerinnen und Bewohnern der möblierten Wohnungen.

Räumlich gibt es starke Unterschiede. Die Innenstadtbezirke, die ohnehin besonders hohe Mieten aufweisen und in denen ein besonders hoher Verdrängungsdruck vorherrscht, sind von dem Phänomen weitaus stärker betroffen. Allein im Bezirk Mitte wurden im vergangenen Jahr 6.000 Inserate verzeichnet. Gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf mit etwa 4.000 und Pankow mit 3.700 inserierten möblierten Wohnungen – während es in Marzahn-Hellersdorf gerade einmal 350 waren. 

Mit fast 9.000 angebotenen möblierten Apartments ist das landeseigene Unternehmen Berlinovo einer der Marktführer. Aber auch internationale Co-Living-Anbieter haben in den letzten Jahren eine Vielzahl an Wohnungen für dieses Segment hinzugewonnen.

Die Anzahl an möbliert vermieteten Wohnungen hat vor allem seit der  Einführung der Mietpreisbremse 2015 zugenommen. Vermieter nutzen die möblierte Vermietung von Wohnraum auf Zeit für erheblich höhere Preise im Vergleich zu regulären Mietwohnungsangeboten. In einer Vielzahl der Fälle wird die befristete Vermietung genutzt, um die Mietpreisbremse zu umgehen. Dabei sind möblierte Wohnungen von der Mietpreisbremse grundsätzlich erfasst. Sie bewegen sich aber in einer rechtlichen Grauzone. So gilt die Mietpreisbremse beispielsweise nicht, wenn eine Wohnung zum „vorübergehenden Gebrauch“ vermietet wird. 

Ein weiteres Problem: Möblierte Wohnungen dürfen aufgrund der Einrichtungskosten teurer vermietet werden. Doch es fehlen klare gesetzliche Regeln zu Möblierungszuschlägen. Die Höhe des Möblierungszuschlages hängt zunächst vom Zeitwert der Möblierung ab. Mieter/innen haben deshalb nach § 556 g Abs. 3 BGB einen Auskunftsanspruch in Bezug auf die Anschaffungskosten sowie den Anschaffungszeitpunkt der einzelnen Einrichtungsgegenstände. Die Höhe des zulässigen Aufschlags ist allerdings nicht abschließend gesetzlich geregelt. Mieter/innen wissen oft auch nicht, wie wertvoll die Möbel sind und welcher Zuschlag deshalb angemessenen wäre. Außerdem ist gar nicht definiert, wie viele Möbel in einer Wohnung vorhanden sein müssen, damit diese als „möblierte Wohnung“ ausgewiesen werden kann. Diese rechtlichen Lücken werden von Vermietern schamlos ausgenutzt, um die Mietpreisbremse zu umgehen.

Zwar gilt in Berlin seit dem 1. Mai 2014 das sogenannte Zweckentfremdungsverbot. Damit ist zum Beispiel geregelt, dass Wohnungen als Ferienwohnungen für maximal 90 Tage im Jahr komplett an Feriengäste vermietet werden dürfen. Möblierte Wohnungen auf Zeit unterliegen dem Zweckentfremdungsverbot allerdings nicht – denn das Verbot soll die Nutzung einer Wohnung zu anderen Zwecken als „Wohnen“ regulieren und unterbinden. Eine Wohnnutzung liegt jedoch auch bei möblierter Vermietung auf Zeit vor. Zumindest ist das die bisherige Rechtsauffassung. Es sollte daher geprüft werden, mit welchen Mitteln und Wegen das Zweckentfremdungsverbot so gestaltet werden kann, dass auch die möblierte Vermietung von Wohnraum davon erfasst wird.

Es braucht jedenfalls eine harte Regulierung, um möblierte Wohnungen einzuschränken. Dafür eignen sich verschiedene Ansätze. Auf Bezirksebene können, zumindest bei großen Bauvorhaben im Rahmen des Berliner Modells der kooperativen Baulandentwicklung, möblierte Wohnungen im Neubau durch Abschluss städtebaulicher Verträge ausgeschlossen werden.

Senat hätte Eingriffsmöglichkeiten

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat kürzlich ein Rechtsgutachten zur Zulässigkeit möblierter Wohnungen in Milieuschutzgebieten in Auftrag gegeben. Dieses kommt zum erfreulichen Ergebnis, dass eine möblierte Vermietung, wenn diese neu stattfindet, eine Nutzungsänderung der Wohnung darstellt und damit von der Milieuschutzbehörde untersagt werden kann. Ein zuvor vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in Auftrag gegebenes Gutachten kommt allerdings zum gegenteiligen Ergebnis. Aktuell arbeitet der Senat an einer Ausführungsvorschrift für die einheitliche Anwendung von Kriterien für Milieuschutz. Hier besteht die Möglichkeit, berlinweit eine enge Auslegung vorzuschreiben, um möblierte Wohnungen in Milieuschutzgebieten zu stoppen.

Ein anderes Instrument ist die Verfolgung von Mietwucher nach §5 Wirtschaftsstrafgesetz. Danach begeht eine Ordnungswidrigkeit, wer eine Wohnung zu einer Miete vermietet, die 20% oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete aus dem Mietspiegel liegt. Sehr viele der möbliert vermieteten Wohnungen könnten damit geahndet werden. Die Wohnungsämter müssen bei der Verfolgung von Mietwucher nachweisen, dass Vermieter eine individuelle Notlage der Mieter/innen ausnutzen. Das schafft einige Hürden. Als beinahe einzige Kommune ahndet derzeit Frankfurt am Main jedoch erfolgreich Mietwucher. Allein seit 2020 wurden knapp 1.400 Verfahren gegen Mietwucher geführt. Es konnten 321.000 Euro an Strafen festgesetzt und 420.000 Euro an Rückzahlungen durchgesetzt werden. Auch hier könnte der Senat sofort tätig werden und das Instrument nutzen.

Ferner muss die Praxis der landeseigenen Berlinovo auf den Prüfstand. Angesichts von tausenden fehlenden bezahlbaren Wohnungen ist es nicht hinnehmbar, dass ein landeseigenes Unternehmen tausende Wohnungen zu hohen Preisen möbliert und auf Zeit vermietet, statt diese Wohnungen zum Beispiel Studierenden oder Geflüchteten preiswert zur Verfügung zu stellen.

Schließlich braucht es endlich eine gesetzliche Klarstellung für eine transparente Berechnungsmethode für Möblierungszuschläge. Diese muss so gestaltet sein, dass die Mietpreisbremse greift und der Anreiz für eine besonders teure Vermietung verschwindet. Das wirksamste Instrument wäre allerdings die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels. Damit würde die besonders teure Vermietung auf Zeit, die die Wohnraumkrise nicht nur in Berlin weiter verschärft, wirksam gestoppt.  

 

Niklas Schenker ist Sprecher für Mieten und Wohnen der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.
Gemeinsam mit dem MieterEcho-Redakteur Philipp Möller betreibt er den Podcast „Schöner Wohnen – Der Podcast zur Wohnungsfrage“. 


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