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MieterEcho 441 / Juni 2024

Mieter/innen fragen – wir antworten

Fragen und Antworten zum Berliner Mietspiegel 2024

Von Rechtsanwalt Marek Schauer

Der Mietspiegel 2024 ist endlich erschienen. Die Frage, ob die Mieten gesunken oder stabil geblieben sind, ersparen wir uns dieses Mal. Das Ergebnis kann man (leider) der Tabelle entnehmen, aber warum hat das eigentlich so lange gedauert?

Die Frage ist berechtigt. Und ja, die Mieter/innen müssen sich mit dem neuen Mietspiegel auf neue Mieterhöhungsverlangen einstellen. Nach recht maßvollen Erhöhungen im Corona-Mietspiegel 2021 (1,1% relativ zu 2019) und dem von 2023 (5,4% relativ zu 2021), welche einfach getrennt vom Markt berechnet wurden, sind nun wieder reale Mieten von den Berliner Mietenden erhoben worden. Das hätte eigentlich schon 2023 passieren sollen, aber da ein konkurrierendes Institut um die Erstellung des Mietspiegels rechtliche Schritte zur Durchsetzung der eigenen Geschäftsinteressen ins Werk setzte, musste die Erstellung des Mietspiegels bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Beauftragung verschoben werden. Für die Mietenden war das gar nicht so schlecht, weil so die alten moderaten Nettomieten noch ein Jahr länger galten. Denn 6,5% Erhöhung der Nettomieten in 5 Jahren von 2019 bis 2024 – das sind 1,3% pro Jahr Erhöhung – das gab es noch nie. Ein ulkiger Kollateralnutzen.

Wer zur Verzögerung der Erstellung mehr wissen will, den darf ich auf bisherige Artikel von mir – auch im MieterEcho – verweisen. 

Es gab immer die Debatte um die sogenannte Qualifizierung des Mietspiegels. Was heißt das und ist der Mietspiegel 2024 qualifiziert?

Ja. Dazu gleich mehr. Erstmal zur Qualifizierung: Da hilft das Gesetz. Es sagt in § 558d BGB: „Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der nach Landesrecht zuständigen Behörde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist. Entspricht ein Mietspiegel den Anforderungen, die eine nach § 558c Absatz 5 erlassene Rechtsverordnung an qualifizierte Mietspiegel richtet, wird vermutet, dass er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Haben die nach Landesrecht zuständige Behörde und Interessenvertreter der Vermieter und der Mieter den Mietspiegel als qualifizierten Mietspiegel anerkannt, so wird vermutet, dass der Mietspiegel anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen entspricht.“ 

Das Gesetz wurde erst neu gefasst und bedeutet Folgendes: Es gibt praktisch drei Möglichkeiten, wann ein Mietspiegel qualifiziert ist. Erstens, wenn der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen, also insbesondere denen der Statistik erstellt wurde. Hier hilft in Berlin beratend das Institut, welches die Mietenerhebung für das Land Berlin vorgenommen hat, aber auch die Expertise der Arbeitsgruppe Mietspiegel, an der wir mit den anderen Mieterverbänden teilnehmen. Zusätzlich zu den anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen muss nach der Variante noch die Anerkennung durch entweder die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung oder eben der Mieter-/Vermieterverbände kommen, dann ist die Qualifizierung rund.

Zweitens kann ein Mietspiegel qualifiziert sein, wenn die Vorschriften der Rechtsverordnung zur Erstellung von Mietspiegeln korrekt eingehalten worden sind. In dieser steht praktisch eine Anleitung, wie eine Mietspiegelerstellung nach den Regeln zum Beispiel der Statistik erfolgen kann.

Drittens – und das ist insbesondere entscheidend für uns als Berliner/innen – genügt es aber auch, wenn alle Mitglieder der Arbeitsgruppe Mietspiegel einstimmig das Resultat der Mietspiegelerstellung anerkennen. Dann kommt es auf Details im wissenschaftlichen Weg der Erstellung nicht mehr an. Das ist in Berlin erreicht worden!

Abgesehen von der Einigkeit und der damit einhergehenden Qualifizierung des Mietspiegels dürfte dieser jedoch auch den anderen Anforderungen entsprechen. Dreifach hält besser, wenn man so will.

Warum ist das denn so wichtig mit der Qualifikation? Der bisherige „einfache“ Mietspiegel hat es doch auch „gebracht“ , jedenfalls hat er doch das Geschäft der Vermieter befördert?

Jein, die Vermieter waren jedenfalls wegen der „limitierten“ Erhöhungsoptionen teilweise damit ziemlich unzufrieden, und die Mieter/innen hatten immer wieder Probleme beim Durchsetzen der Mietpreisbremse! Aber der Reihe nach.

Die Qualifizierung nach der beschriebenen dritten Variante ist aus zwei Gründen wichtig. Erstmal inhaltlich: Als qualifizierter Mietspiegel hat dieser die gesetzliche Vermutung, die ortsübliche Vergleichsmiete darzustellen. Für uns Mieter/innen hat das natürlich den Nachteil, dass wir uns an die Zahlen halten und den Erhöhungsverlangen beugen müssen, soweit sie korrekt sind. Daher der gewohnte Hinweis: Unbedingt in die Beratung kommen, wenn die Mieterhöhung eintrudelt. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass die Vermieter, die eben auch an das Zahlenwerk und die Tatsachen der Ausstattung der Wohnung gebunden sind, häufig über das Ziel hinausschießen und mehr verlangen, als sie dürfen.

Aber was viel wichtiger ist: Mit der Qualifizierung hat das wichtige gesetzliche Tool der Mietpreisbremse bei Neuvertragsabschluss einen dicken Boost bekommen. So war die Angreifbarkeit des „einfachen“ Mietspiegels in der Vergangenheit durchaus ein Problem, um die überhöhten Mieten in den Neuverträgen zu reduzieren. Denn es wurde moniert, dass sich die „ortsübliche Vergleichsmiete“ nicht anhand des bisherigen Mietspiegels bestimmen ließe. Dadurch waren Mieter/innen je nach Verlauf einer solchen (gerichtlichen) Auseinandersetzung gezwungen, sich auf möglicherweise schlechte Verhandlungsresultate einzulassen, um beispielsweise negativ verlaufenden Sachverständigengutachten aus dem Weg zu gehen. Das ist jetzt vorbei, weil die Zahlen, gelten wie sie stehen, und praktisch auch unangreifbar sind. Damit kommen wir zum zweiten Punkt: Die Qualifizierung kann so, wie sie zustande kam, praktisch nicht angegriffen werden. Denn dadurch, dass sich alle Parteien der Arbeitsgruppe Mietspiegel über die Qualifizierung einig waren, kann diese nur noch darüber angegriffen werden, dass die Unterschriften der Vertreter nicht sachgerecht zustande kamen. Das würde bedeuten, dass man sowas wie eine Geschäftsunfähigkeit eines der Unterzeichnenden nachweisen muss – was höchst unwahrscheinlich ist. Insofern haben wir hier einen recht wasserdichten Mietspiegel.

Kommen wir zur praktischen Anwendung für uns Mieter/innen. Hat sich da was geändert?

Ja, einiges. Gehen wir das Punkt für Punkt durch. Erstmal sieht die Tabelle anders aus, weil sie viel „feiner“ ist. Die alte Tabelle war angenehm übersichtlich, aber auch sehr grobschlächtig. Durch die vielen neuen Daten konnten die Mietspiegelwerte nun auf viel mehr Tabellenzeilen verteilt und so die ortsübliche Vergleichsmiete näher bestimmt werden als in der Vergangenheit.

Am besten, man beginnt mit der Wohnlage. Hier hat sich nichts geändert, es gibt einfach/mittel/gut. Die Wohnlage entnehmen Sie am besten dem Straßenverzeichnis, welches im Internet zu finden ist. Gerne geben auch wir dazu Auskunft. Wenn die Wohnlage klar ist, findet man die korrekte Zeile anhand der Größe der Wohnung und der Baualtersklasse bzw. Bezugsfertigkeit. 

Erstere muss nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die tatsächliche Größe sein. Was im Mietvertrag steht, kann ein Anhaltspunkt sein, aber da die Vermieter da gerne mehr hineinschreiben, als es der Wahrheit entspricht, lohnt sich durchaus mal eine überschlägige Vermessung. 3 qm Unterschied können da durchaus schon 25 Euro pro Monat bedeuten. 

Letztere, also die Baualtersklasse bzw. Bezugsfertigkeit, kriegen Sie zum Beispiel aus dem Energieverbrauchsausweis heraus oder vom Bezirksamt mitgeteilt. Dann wissen Sie, was der Mittelwert ist und was Oberwert und Unterwert sind. Innerhalb dieser Spanne liegt Ihre Miete, und zwar je nachdem, wie Ihre Wohnung ausgestattet ist. Und das richtet sich nach der Spanneneinordnung.

Apropos Spanneneinordnung. Für Neueinsteiger: Was ist das eigentlich und was hat sich da im Vergleich zu 2023 geändert?

Erstmal grundsätzlich: Mit der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung ermittelt man die exakte ortsübliche Vergleichsmiete anhand der Ausstattung. Die Orientierungshilfe ist in 5 Merkmalgruppen gegliedert: Bad, Küche, Wohnung, Gebäude und Wohnumfeld. Jede der genannten Kategorien enthält wohnwerterhöhende und wohnwertmindernde Merkmale. In der Orientierungshilfe können Sie die Merkmale ankreuzen und je nach Merkmal wird ermittelt, ob man innerhalb der Spanne eher Richtung Spitze oder ans untere Ende rutscht. 

Wenn Ihnen das alles zu kompliziert ist: Nutzen Sie für eine erste Einschätzung den Abfrageservice der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Dort können Sie die Einordnung leicht über ein (Online-) Formular, wo man die Merkmale ankreuzen kann, ermitteln. Lassen Sie sich dazu auch in unseren Beratungsstellen beraten, wenn Sie unsicher sind.

Wer das Prozedere kennt, der wird bei der neuen Spanneneinordnung einige – für Mieter/innen durchaus interessante – Veränderungen feststellen. Ich möchte exemplarisch einige aufzählen, auf die man achten sollte:

Beispielsweise wurden einige der wohnwerterhöhenden Merkmale, welche früher unabhängig von der Baualtersklasse wohnwerterhöhend waren, nunmehr insbesondere in neueren Gebäuden nicht als solche angesehen, weil sie dort inzwischen Standard geworden sind. Beispielsweise heißt es beim Strukturheizkörper als Handtuchwärmer im Bad nun „gilt für die Baualtersklassen bis einschließlich 2001“. Das ist recht häufig gemacht und dadurch sind Erhöhungsmöglichkeiten begrenzt worden.

Zudem ist es jetzt unstreitig negativ, wenn im Bad keine Duschmöglichkeit vorhanden ist und die Badewanne nicht rundum spritzwassergeschützt ist. Es heißt „Keine Duschmöglichkeit (z. B. kein Spritzwasserschutz, keine Duschkopfhalterung, sehr kleine Standfläche)“. Das war vorher in der Rechtsprechung oft zuungunsten der Mieter/innen entschieden worden.

Auch sind die Energieverbrauchskennwerte geringfügig zugunsten der Mieter/innen angepasst worden. Letztlich ist noch die Einschätzung der „Besonders lärmbelasteten Lage“ näher und umfassender definiert worden. Zwar sind die „Sternchen“ im Straßenverzeichnis weggefallen (bestimmte Adressen waren wegen des Verkehrslärms als lärmbelastet mit einem Stern gekennzeichnet), aber diese Adressen sind nunmehr in den Lärmkarten mit Dezibel genau wiederzufinden und weiterhin wohnwertmindernd. Zudem können auch – und das war insbesondere gerichtlich immer schwer vorzutragen – weitere Lärmquellen wohnwertmindernd sein. Beispielhaft wird angeführt: „(Die Wohnung liegt beispielsweise an einer Hauptverkehrsstraße oder im unmittelbaren Umfeld eines Flughafens und erfährt dadurch unangenehme Lärm- und Staubemissionen.

Daneben können auch große Fabrik- und Industrieanlagen, aber auch Gewerbe-, Restaurant- und Partylärm Ursache für eine besonders lärmbelastete Lage sein.)“  

Gibt es auch neue Merkmale zu Lasten der Mieter/innen?

Leider ja. Aber nicht viele. Insbesondere eine schwellenarme Dusche oder ein schwellenarmer Zugang zum Gebäude werden jetzt belohnt und gelten als wohnwerterhöhend.

Kommen wir noch zu ein paar praktischen allgemeinen Fragen. Ich habe eine sogenannte Bruttomiete, also die Betriebskosten sind in meiner Miete enthalten. Jetzt kommt der Vermieter mit der Erhöhung einer Nettokaltmiete und Betriebskosten, der ich zustimmen soll. Kann das sein?

Diese Frage kommt immer wieder und es ist gut, dass Sie fragen. Wer hier bedenkenlos zustimmt, läuft nicht nur Gefahr, eine überhöhte Miete zu akzeptieren, sondern vergibt auch die sehr vorteilhafte Mietstruktur der Bruttomiete. Mit der Bruttomiete wachsen nämlich nicht die bereits eingepreisten Betriebskosten, sondern allenfalls die Nettomiete nach dem Mietspiegel. Wir raten von einer Umstellung ab. Zu Ihrer Frage: Wenn Sie so eine Erhöhung bekommen, sagen die Gerichte, dass Sie einer derart unvorteilhaften Umstellung der Mietstruktur nicht zustimmen müssen und die Mieterhöhung unwirksam ist. Lassen Sie sich vorsorglich jedoch bei uns dazu genau anhand Ihres Falles beraten.

Was ist eigentlich mit den Substandardwohnungen, also denen, wo entweder Bad oder Heizung oder beides fehlt bzw. von den Mieter/innen eingebaut wurden?

Da gibt es leider keine guten Nachrichten, weil der Abschlag jetzt für jede Substandardwohnung ohne Bad und/oder Heizung einheitlich bei 0,45 Cent liegt, und zwar bei Bezugsfertigkeit bis 1964 einschließlich. Früher war das deutlich mehr, aber die erhobenen Werte haben keine vernünftigen Resultate geliefert. Dies ist ein Ergebnis dessen, dass für die letzten Löcher in Berlin mittlerweile Wuchermieten verlangt werden. Am Ende wurden sogar teilweise Zuschläge für manche Substandardwohnungen ermittelt. Daher haben wir uns auf ein statistisch gewichtetes Mittel geeinigt, um diesen Wohnungen gerecht zu werden. Bitter, aber es war zugunsten der Mieter/innen nicht anders zu lösen, denn sonst hätten wir gar keine Abschläge gehabt. 

 

Rechtsanwalt Marek Schauer berät in der Beratungsstelle Neukölln, Sonnenallee.


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