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MieterEcho 442 / Juni 2024

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

statt der von der Bundesregierung angekündigten 400.000 Wohnungen wurden 2023 in Deutschland nur 294.400 gebaut. Klara Geywitz (SPD), die politisch verantwortliche Bundesbauministerin, lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Sie meint: „Die Baufertigstellungszahlen für 2023 zeigen ganz deutlich: Die Lage am Bau ist stabil.“ Dass die Lage „am Bau stabil ist“ – was auch immer darunter zu verstehen ist – mag tröstlich sein, aber auf dem Wohnungsmarkt ist sie es nicht. Angebot und Nachfrage driften immer weiter auseinander, exorbitant steigende Mieten sind die Folge, in den großen Städten wird Wohnungssuche zu einem Depressionen verursachenden Abenteuer, Eigenbedarfskündigungen zur Regel und Obdachlosigkeit zu einer alltäglichen Erscheinung. Von all dem scheint Frau Geywitz weit entfernt. Ihr Ministerium betrachtet den Markt und sieht viele Gründe, die „hoffnungsvoll stimmen“. Die Zinsen für die Baufinanzierung seien gesunken, die Preise für die Baumaterialien hätten sich normalisiert und die Einkommenszuwächse würden die Mieter/innen in die Lage versetzen, auch die erhöhten Mieten zu bezahlen. Also, kurz gesagt, alles halb so schlimm.

Verglichen mit dem Bau von Sozialwohnungen stimmt das sogar. Denn der ist hinter der Zielstellung von 100.000 mit 49.430 Wohnungen im Jahr 2023 um mehr als die Hälfte zurückgeblieben. Für das Bundesbauministerium ist das Glas aber noch immer halbvoll.

Das Pestel-Institut sieht dagegen ein jahrelanges Missmanagement des Bundes. Der Sozialwohnungsbau sei bis vor kurzem auf ein Minimum heruntergefahren und dadurch wurden zwangsläufig die Kosten für die Subjektförderung – Kosten der Unterkunft und Wohngeld – so stark erhöht, dass sie heute das Fünffache der Neubauförderung betragen. Damit kann die Immobilienbranche leben, denn sozialer Wohnungsbau wirkt sich dämpfend auf den Mietanstieg aus, während er durch die Subjektförderung angeheizt wird. 

Frau Geywitz ist rundum zufrieden: „Mit unserer zielgerichteten Wohnungspolitik haben wir die richtigen Anreize gesetzt, um Projekte aus dem Bauüberhang trotz der schwierigen Rahmenbedingungen am Bau zu realisieren. Der soziale Wohnungsbau erweist sich dabei als absoluter Stabilitätsanker für die Bau- und Immobilienbranche.“ 

Ein durchgreifendes Wohnungsbauprogramm, dessen Kern ein staatlicher sozialer Wohnungsbau sein sollte, wird in dem von Frau Geywitz geleiteten Wohnungsbauministerium nicht entwickelt.

Aber das empfindet Frau Geywitz nicht als Mangel. Stattdessen werden wieder Förderprogramme für junge, mittelständische Familien aufgelegt, die den Erwerb von Bestandsimmobilien erleichtern sollen.

Ihr MieterEcho


MieterEcho 442 / Juni 2024