Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 441 / Juni 2024

Der Mietspiegel 2024

Qualifiziertes Resultat nach der Reform des Mietspiegelrechts

Von Rechtsanwalt Marek Schauer

Nach fünf Jahren gibt es in Berlin wieder einen qualifizierten Mietspiegel. Ein Grund zum Freuen ist das für die Berliner Mietenden grundsätzlich nie, zumindest für die Mieten im Bestand. Denn Bestandsmieter/innen werden sich auf die nächsten Mieterhöhungen vorbereiten müssen. Allenfalls die Tatsache, dass mit einem Mietspiegel auch für die Vermieterseite Grenzen nach oben gezogen sind, mag für Mieter/innen eine gewisse Kalkulation der Mietsteigerung zulassen, um das Haushaltseinkommen nach der Mietzahlung einschätzen zu können. Aber das ist ein sehr giftiger Vorteil.

Für diejenigen, die überteuerte und damit – bezogen auf die Miete – rechtswidrige Neuverträge schließen, ist der Mietspiegel 2024 jedoch immerhin eine sichere Bank, die Miete abzusenken. Denn durch den Wohnungsmangel ist es für Vermieter mittlerweile leicht, aus den ranzigsten Buden Quadratmeterpreise jenseits von Gut und Böse zu erzielen.

Seit 2019 ist viel passiert: Mietendeckel, Corona, zwei fortgeschriebene, rechtlich aber „einfache“ Mietspiegel und eine gesetzliche Mietspiegelreform. Doch alles der Reihe nach.

Eigentlich hat der – im Ergebnis verfassungswidrige – Berliner Mietendeckel von 2020 doch mehr „Atempause“ für Berlins Mietende erreicht, als dessen Macher/innen erahnt haben. Denn durch den Mietendeckel war – bis zu seiner Zerstörung durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe – die Erstellung des Mietspiegels praktisch auf Eis gelegt worden. Als dann ein neuer Mietspiegel erstellt werden musste und Corona dies erheblich erschwerte, schrieb man den Mietspiegel in 2021 mit einer pauschalen Erhöhung von 1,1% auf alle Nettomieten fort, was fast wie ein kleines Geschenk in der sonst so schweren Zeit erschien.

In 2023 hätte der neue Mietspiegel erstellt werden müssen, aber da um die Erstellung ein Konkurrenzkampf zwischen Statistikinstituten tobte und dieser gerichtlich entschieden werden musste (wir berichteten), verzögerte sich die Neuerstellung, und 2023 wurden pauschal 5,4% auf alle Nettomieten draufgeschlagen. Die Vermieter wollten damals deutlich mehr, und es ist ein Ergebnis unserer Verhandlungshärte gewesen, dass es bei dieser Zahl blieb. Am Ende ergibt das für fünf Jahre eine Steigerung um 1,3% pro Jahr, was die Hälfte dessen ist, was durchschnittlich pro Jahr vor 2019 auf die Nettomieten draufkam. Eine Atempause, die wir Mieter/innen zwar nicht in der Hand hatten, wie auch sonst alles in dieser Sorte Wirtschaftsweise, aber immerhin … 

Streit um landeseigene Wohnungen

Zwischenzeitlich hatte auch der Bundesgesetzgeber noch unter Schwarz-Rot den Mietenanstieg über die Mietspiegel dämmen wollen. Das Mietspiegelrecht wurde entsprechend reformiert. Es wurden nunmehr alle Gemeinden ab 50.000 Einwohnern verpflichtet, einen Mietspiegel zu erstellen. Die Neuvertragsmieten und die in den letzten sechs statt der letzten vier Jahre geänderten Mieten wurden erhoben und damit durchaus auch geringere Mieten aus „älteren“ Zeiten. 

Gelöst hat der Gesetzgeber leider nicht, wie man mietpreisbremsenwidrige Mieten aus der Erhebung heraushält. Die Ampel wird da auch nichts ändern. Ansonsten gibt es, wenn man als Vermieter/in oder Mieter/in angeschrieben wird, die Pflicht zur Teilnahme an der Erhebung, dadurch wird eine erheblich belastbarere Datenmenge erfasst. Zudem wurde eine Verordnung zur Erstellung von Mietspiegeln erlassen. Eine Art Anleitung, welche statistischen Grundsätze eine „Qualifizierung“ des Mietspiegels ausmachen, also wann er nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt ist.

Nachdem nun gerichtlich klargestellt war, dass das vom Land Berlin und auch uns favorisierte Institut den Mietspiegel erstellen würde, begannen die Arbeiten zügig in 2023. Uns war klar, dass die Vermieter wegen der oben genannten limitierten Erhöhungsoptionen der letzten Jahre mit allen Bandagen um einen kräftigen Schluck aus der Pulle, sprich aus unseren Geldbörsen, kämpfen würden. Die Mieten, welche nun zum 1. September 2023 erhoben wurden, konnten wir nicht beeinflussen, aber an einigen Stellschrauben konnten wir die Mieterinteressen vernünftig wahrnehmen.

Zunächst wurde sich in der Arbeitsgruppe Mietspiegel jedoch auf die Einordnung der Wohnungen in die Wohnlagen verständigt. Hier bestand Einigkeit, das bisherige datengetriebene Modell beizubehalten und die maßgeblichen Indikatoren zur Einordnung zu prüfen. Gemeint sind Maßstäbe, welche eine Wohnlage zwischen einfacher, mittlerer oder guter – wie etwa die Nähe zur nächsten Bushaltestelle, der Grünflächenanteil oder der Verkehrslärm – unterscheiden. Entsprechend der Vorgaben errechnet „die Maschine“ dann die Wohnlage und beugt dem früheren Vorurteil gegen die Arbeitsgruppe Mietspiegel vor, hier bei Rotwein und nach Gefälligkeiten entschieden zu haben.
Hektisch wurde die Debatte vor allem in der Frage, ob die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit in die Erhebung fallen sollen oder nicht. Argument der Vermieterseite war, dass die Mieten dort künstlich niedrig gehalten und damit wie Mieten „geförderter“ Wohnungen zu bewerten sind, die aus dem Mietspiegel gesetzlich rausfliegen. Dem traten wir mit dem Senat zusammen in Eintracht entgegen, zumal es rechtlich dafür auch keine Stütze gab. Das war wichtig, weil sonst die Mieten wohl noch deutlich höher ausgefallen wären. Am Ende hat dieser Knackpunkt die Vermieter auch nicht vom Unterschreiben abgehalten, was noch wichtig werden wird. 

Die Klingen wurden ebenfalls bei der Spanneneinordnung gekreuzt, also der Einordnung der Wohnung in die Mietenspanne von der kleinsten bis zur höchsten erhobenen Miete anhand der Ausstattung der Wohnung und des Gebäudes. Hier mussten wir bei den Merkmalgruppen Bad und Gebäude im Falle einer Behindertenfreundlichkeit (bodengleiche Dusche, schwellenarmes Gebäude) Federn lassen, weil sich diese wohnwerterhöhend auswirken. 

Ansonsten ist ein Bad ohne Dusche und mit einer Wanne, die nicht als Dusche fungieren kann, nunmehr wohnwertmindernd. Zudem wurde der Lärmtatbestand im Wohnumfeld zu Gunsten der Mieter/innen ausgeweitet. Einige der wohnwerterhöhenden Merkmale wurden auch auf bestimmte, insbesondere ältere, Baualtersklassen beschränkt und der Neubau herausgenommen, was den Mieterhöhungsspielraum eingrenzt. Näheres kann man in diesem Heft bei der Rubrik „Fragen und Antworten“ zum Mietspiegel 2024 erfahren oder sich natürlich jederzeit in den Beratungsstellen beraten lassen.

Mietspiegel faktisch unanfechtbar

Etwas ärgerlich sind die Regelungen zu den Abschlägen bei den Baualtersklassen bis 1964, wenn es keine Heizung oder kein Bad oder beides nicht gibt. Hier gibt es jetzt einen recht mickrigen pauschalen Abschlag, was allerdings wegen der ermittelten Resultate statistisch nicht anders zu lösen war. Am Ende konnten alle Seiten mit dem Resultat leben und haben das Werk unterzeichnet.

Wegen der wirklich guten Datenbasis – Stichwort Pflicht zur Mitwirkung von Vermietern und Mietern – war das Erhebungsresultat geeignet, die Tabelle neu zu gestalten. Sie ist jetzt bezüglich der Baualtersklasse bzw. Bezugsfertigkeit und der Größe der Wohnung viel feiner als vorher. Man sollte jetzt bei der Einordnung zunächst mit der Wohnlage anfangen, der Rest erklärt sich dann von selbst. Die Online-Abfrage auf der Seite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen ist eine erste Möglichkeit der Orientierung und eine gute Vorbereitung auf die Beratung.

Klar ist: Jetzt beginnt die Zeit der Mieterhöhungen, aber es gibt auch eine gute Nachricht für uns Mieter/innen. Der Mietspiegel ist nach dem neuen Mietspiegelrecht praktisch unangreifbar, weil alle Beteiligten unterschrieben haben. Damit gilt der Mietspiegel als qualifiziert und kann nun von der Vermieterseite bei Mieterhöhungen oder gegen die Durchsetzung der Mietpreisbremse nur noch angegriffen werden, wenn man beweist, dass einer der unterzeichnenden Vertreter so was wie geschäftsunfähig war – was praktisch unmöglich sein wird. Angriffe der Vermieter und damit Rechtsunsicherheit sind daher nicht zu erwarten. Für uns war insbesondere auch politisch ein Argument, diesem Mietspiegel zuzustimmen, dass wir die wichtige Mietpreisbremse – ohne Sorge eines unsicheren Gerichtsverfahrens – als Tool weiter nutzen können.

Von daher raten wir allen Mitgliedern, den qualifizierten Mietspiegel als ein solches Tool zu begreifen und gegen die überteuerten Mieten als Waffe zu nutzen sowie bei übergriffigen Mieterhöhungen mit dem Mietspiegel eine klare Grenze zu setzen.

 

Rechtsanwalt Marek Schauer ist spezialisiert auf Miet- und Wohnungseigentumsrecht.


MieterEcho 441 / Juni 2024

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