Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 443 / August 2024

Bezirksamt tritt auf die Bremse

Friedrichshain-Kreuzberg legt Baupläne für das Hafenplatz-Quartier auf Eis

Von Nicolas Šustr

Die bezirklichen Planungen für das umstrittene, riesige Bauprojekt am Kreuzberger Hafenplatz liegen seit Mitte Juni erstmal auf Eis. Der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) machte diesen Entschluss zunächst in der Bezirksverordnetenversammlung öffentlich und verschickte im Anschluss eine Pressemitteilung.

„Meine Gespräche ergaben, dass das Vertrauen vieler Beteiligter in die Hedera Bauwert derzeit stark reduziert ist“, erklärte Florian Schmidt darin. Eine Kooperation mit dem Projektentwickler sei „unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht möglich“, so der Stadtrat weiter.

Dabei wurde noch Anfang des Jahres eine aufwändige Präsentation vorgestellt, in der von der nachhaltigen, sozialen und gemischten Zukunft der geplanten Bebauung mit über 900 Wohneinheiten, Gewerbeflächen und Büros die Rede war. Die 274 geplanten Sozialwohnungen auf dem Areal sollte die landeseigene Gewobag übernehmen.

Dafür sollten die maroden Bestandsbauten aus den 1970er Jahren mit knapp 360 Wohnungen, die sich um einen pyramidenartigen Zentralbau gruppieren, abgerissen werden. Zwar gab es Zusicherungen, dass die rund 300 Bestandsmieter/innen trotz Abriss und Neubau nicht verdrängt werden. Doch wie verlässlich solche Zusagen sind, weiß man im Zweifelsfall erst, wenn es zu spät ist, wie in Berlin schon viele Mieter/innen schmerzlich erfahren mussten.

Zumal hinter der Hedera Bauwert der stadtbekannte Immobilieninvestor Ioannis Moraitis steht. Schlechte Presse und öffentliche Empörung begleiten seit vielen Jahren sein Berliner Wirken. Angefangen hat es 2015 mit der Kündigung des Gemüseladens Bizim Bakkal im Kreuzberger Wrangelkiez. Die Gekko Real Estate GmbH von Moraiti Moraitis hatte das Haus Wrangelstraße 77 unter ihre Kontrolle gebracht, der Gemüseladen stand der Verwertung zur Maximalrendite offenbar im Weg. In dieser Situation hatte sich die stadtpolitische Initiative Bizim Kiez gegründet.

Kein Vertrauen in den Investor

Bald wurden Fälle von weiteren Häusern bekannt, bei denen die Verwertungspläne von Moraitis Mieter/innen bedrohten. „Die Spur der leerstehenden und unfertigen Häuser, die der ‚verlässliche‘ Unternehmer Moraitis hinter sich herzieht, führt durch die ganze Stadt: von Steglitz über Mitte und Neukölln bis nach Lichtenberg“, schrieb die Berliner Zeitung vor Kurzem.

Ende 2023 berichtete das Handelsblatt, dass Moraitis' Firmen sich allein für das Projekt Hafenplatz beim Schweizer Immobilienfinanzierungsfonds Verius 60 Millionen Euro geliehen haben soll – zu einem Zinssatz von 15%. Bei spekulativen Projektentwicklungen sind solche horrenden Zinsen für die Zeit zwischen Grundstückskauf und der Erlangung von Baurecht nicht unüblich. Doch je länger der Prozess dauert, desto bedrohlicher wird die Zinslast. Und nach einer schnellen Erlangung von Baurecht sieht es aktuell nicht aus, zumal der Bezirk nun die Daumenschrauben anzieht. Moraitis lasse die Häuser verfallen, um dies als „Druckmittel“ einzusetzen, erklärte Baustadtrat Schmidt.

„Nach der Signa-Pleite hat man keine Fragen mehr“, sagt Gaby Gottwald zum MieterEcho. Sie ist stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bezirk. Zusammen mit den Stimmen von Grünen und SPD wurde das Bezirksamt aufgefordert, ein „eigentümerunabhängiges Bausubstanzgutachten“ in Auftrag zu geben. Bis Ende September soll nun klar sein, wie es tatsächlich um die Bestandsgebäude am Hafenplatz steht. „Denn Abriss und der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum vertragen sich nicht gut“, so Gottwald.

„Die Voraussetzung, dass irgendwas Vernünftiges am Hafenplatz passiert, ist, dass Moraitis abhaut“, unterstreicht die Linke-Politikerin. Doch laut taz will die Hedera Bauwert nichts davon wissen. Man sei „zuversichtlich, dass das erforderliche Vertrauensverhältnis voll umfassend nach Ausräumung jeglicher Vorwürfe wiederhergestellt und das Projekt wie geplant umgesetzt werden kann“. Die Gewobag erklärte jedoch im gleichen Artikel: „Generell kooperieren wir ausschließlich mit seriösen und verlässlichen Projektpartnern.“ Für die Mieter/innen bleibt die Unsicherheit.


MieterEcho 443 / August 2024

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