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MieterEcho 442 / Juni 2024

Adler-Sturzflug für Mieter/innen

Bewohner/innen protestieren gegen unhaltbare Zustände in der Neuköllner „Weißen Siedlung“

Von Nicolas Šustr

„Weiße Siedlung“ wird das markante Wohnensemble mit seinen bis zu 18-geschossigen Hochhäusern an der Neuköllner Sonnenallee genannt. Doch zunehmend prägen auch schwarze Rußfahnen die Fassaden der einstigen Sozialbauten. Bereits vor zwei Jahren ist eine Wohnung im fünften Stock eines der Häuser ausgebrannt. „Da nisten inzwischen die Tauben drin“, berichtet Mieterin Silke Fehst im Gespräch mit MieterEcho.

Es gab noch weitere Brände, allesamt Brandstiftung. Ende Dezember 2023 in einem Treppenhaus, Anfang Februar in einem Keller des Hauses Aronsstraße 128. „Es gibt keine verbindliche Aussage, bis wann die Schäden beseitigt sein werden, und keinen verbindlichen Ansprechpartner“, beklagten Mieter/innen des Hauses kurz darauf in einem Brief an den Vermieter. Die Hausverwaltung stelle keinen adäquaten Ersatzwohnraum zur Verfügung und der Bezirk biete nur an, in eine Obdachlosenunterkunft zu gehen.

Die Adler Group, mit rund 18.000 Wohnungen in Berlin einer der größten Privatvermieter der Stadt, ist schon länger finanziell in schwerem Fahrwasser. Die Immobilien-Zeitung berichtet, dass 2023 zwei Milliarden Euro Verlust eingefahren worden sind. Die Leidtragenden sind die Mieter. Gespart wird offenbar massiv an der Instandhaltung, außerdem wurden 15-prozentige Mieterhöhungen verschickt. Bei Neuvermietungen werde fast das Doppelte für die Wohnungen verlangt, was sie zahle, berichtet Silke Fehst. Sie und viele andere haben sich inzwischen zur Mietgemeinschaft „Kiez-Initiative Weiße Siedlung“ zusammengeschlossen. Sie schickten im April einen von rund 900 Mietenden aus den rund 1.700 Wohnungen unterzeichneten Brandbrief an das Adler-Management – mit der Beschreibung von zahlreichen Mängeln. Auch eine Demo stellten sie auf die Beine.

Bezirksamt mit Personalmangel

Die Mängelliste ist lang: Undichte Fenster, Schimmel in den Wohnungen, verschmutzte Treppenhäuser inklusive Kot und Spritzen, Sperrmüll, regelmäßig defekte Fahrstühle, Rattenbefall – und das ist nur ein Ausschnitt aus der Liste. Die übrigens so ähnlich auch aus der Adler-Siedlung in Staaken stammen könnte. Das Ergebnis des Protests ist bisher mager. „Der Sperrmüll ist noch mehr geworden, eine Feuerwehr-Zufahrtsschranke wurde erneuert, Fahrstühle sind weiter kaputt“, beschreibt Silke Fehst die Lage drei Wochen danach.

Adler-Pressesprecherin Dobroslawa Pazder meldet hingegen Fortschritte. In der Aronsstraße 128 seien inzwischen „alle Wohnungen wieder bewohnbar. Einige Maßnahmen wie zum Beispiel die Instandsetzung der Abwasserrohre sowie Malerarbeiten in der Aronsstr. 73 sind noch im Gange“, teilt sie auf Anfrage vom MieterEcho mit. In der Hausnummer 128 seien im Keller noch Arbeiten nötig. Gegen die Schimmelbildung müssten Dachventilatoren erneuert werden, Angebote dafür würden derzeit eingeholt. „Wir gehen davon aus, dass wir die Arbeiten in Kürze vergeben können“, so Pazder. „Würde der Müll ordnungsgemäß in die bereitgestellten Behälter und Container entsorgt, hätten wir kein Rattenproblem“, erklärt sie weiter. Nach ihrer Darstellung ergriffene Maßnahmen dagegen sind gescheitert. „Wir verstehen den Unmut der Anwohner und versuchen, durch unterschiedliche Maßnahmen eine Verbesserung zu schaffen“, erklärt Pazder angesichts der Gesamtsituation.

Die Zustände könnten „als Folge der fehlgeleiteten Privatisierung der Siedlung“ verstanden werden, sagt der zuständige Neuköllner Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) zum MieterEcho. Das Bezirksamt gehe den Mängeln in der Siedlung nach, wenn man informiert werde, verspricht er. Silke Fehst berichtet allerdings, dass Mieter/innen von der zuständigen Wohnungsaufsicht abgewimmelt würden. Biedermann räumt ein, dass angesichts von nur drei Beschäftigten für den ganzen Bezirk sehr stark priorisiert werden müsste. Im Winter kümmere man sich vordringlich um Heizungsprobleme. „Die Wohnungsaufsicht kommt personell zudem an ihre Grenzen, wenn eine gesamte Siedlung nicht ordentlich in Schuss gehalten wird“, so Biedermann weiter. Zumal die Kommunikation mit Adler „schwierig“ sei. Nun wolle man aber die Mängel exemplarisch angehen.


MieterEcho 442 / Juni 2024