Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 433 / Juni 2023

Wer oder was ist Signa?

Das 2000 von René Benko gegründete Unternehmen hat sich längst zu einer verschachtelten, europaweit aktiven Immobilien- und Handelsholding entwickelt

Von Christoph Trautvetter   

Signa ist Benko. Signa ist Karstadt und die Immobilie am Hermannplatz. Aber das ist nur ein kleiner Teil einer komplizierten Geschichte. Signa ist der Grundstein für die selbsterklärte Familiendynastie Benko. Er hat mit Signa ein Vermögen aufgebaut, das er zum Teil auch schon jenseits von Signa investiert hat – zum Beispiel in Berliner Wohnungen.


Mit den Geschäftsentscheidungen von Signa hat er seit etwa zehn Jahren aber formell fast nichts mehr zu tun. Signa, das sind auch mehrere unabhängige Unternehmen mit unterschiedlichem Eigentümerkreis und unterschiedlichen Geschäftsfeldern – von vermeintlich sicheren Immobilieninvestitionen über die Entwicklung von prestigeträchtigen Immobilien bis hin zu problembehafteten Handelsgeschäften und sogar einer Beteiligung an der auflagenstärksten österreichischen Boulevardzeitung. Gemeinsam haben sie lediglich die Signa Holding, die an allen Unternehmen beteiligt ist, selbst aber nur als Unternehmenshülle fungiert. Ein genauerer Blick lohnt sich also.  

Signa ist mehr als Benko – Benko mehr als Signa

René Benko ist bis heute das Gesicht von Signa. Er hat das Unternehmen im Jahr 2000 gegründet und in kurzer Zeit aus einem kleinen Immobilienentwickler einen milliardenschweren Unternehmensverbund geformt. Dafür hat er Banken und reiche Menschen überzeugt, ihm viel Geld anzuvertrauen. Er pflegt bis heute die für das Geschäft wichtigen Beziehungen in die Politik, war mit dem österreichischen Kanzler auf Geschäftsreise in Russland und als Unternehmer Star-Gast in der Berliner Handelskammer. Formell aber hat er 2013 fast alle Ämter im Unternehmenskonstrukt abgegeben. 

Im selben Jahr wurde er in einem Strafverfahren letztinstanzlich verurteilt. Und auch heute wird gegen ihn in Österreich wieder wegen versuchter Einflussnahme auf die österreichischen Finanzbehörden ermittelt. Aus rechtlicher Sicht betreffen die Ermittlungen aber den Privatmann Benko und nicht Signa – wie auch Unternehmensvertreter betonen. 

Auch wenn die Geschäftsentscheidungen mittlerweile andere treffen, bleibt Benko aber über seine Familienstiftung wichtigster Anteilseigner und damit auch Nutznießer der Gewinne. Einen Teil davon hat er sich in der Vergangenheit bereits ausgeschüttet und wieder investiert – unter anderem in Berliner Wohnungen. Über die in der Gewerbesteueroase Zossen ansässige Assoziation Bankum GmbH und eine Anwaltskanzlei in Österreich besitzt seine Familienstiftung eine Reihe von Altbauhäusern in Berlins Zentrum. Gemeinsam mit dem Berliner Makler Ziegert setzt er hier das Geschäft aus seiner Anfangszeit fort, wandelt um, renoviert, baut Dachgeschosse aus und verkauft teuer an Privatpersonen.

Für Milliardäre und professionelle Investoren

Signa ist ein Private Equity Vehikel für Milliardäre und professionelle Investoren. Für einige sehr reiche Menschen wie Reedereibesitzer Klaus Michael Kühne, die Tetra-Pak-Erben der Familie Rausing oder die Peugeot-Familie aus Frankreich, aber auch für die quasi-staatliche RAG Stiftung oder die R+V Versicherungen ist Signa vor allem Betongold. Sie sind Anteilseigner an der Signa Prime Selection, die die prestigeträchtigsten Immobilien besitzt. Sie haben mit Karstadt und dem Handelsgeschäft wenig zu tun, bis auf die Tatsache, dass sie ihre Renditen auch mit den Mieten der Karstadt-Filialen in „ihren“ Immobilien finanzieren. 

Einige weitere sehr reiche Menschen wie Fressnapf-Gründer Töller oder der österreichische Unternehmer und Politiker Hasselsteiner gehören zu den Geldgebern für den Unternehmensverbund. Sie sind über die Signa Holding, die Unternehmenshülle über dem Unternehmensverbund, am Gesamtkonstrukt beteiligt. Zu den Geldgebern der ersten Stunde gehörten unter anderem die wegen Geldwäsche in großem Stil mittlerweile geschlossene Schweizer Falcon Bank, der skandalumwobene und wegen Korruption verurteilte Diamantenhändler Benny Steinmetz und der griechische Reeder Georgios Ikonomou. Sie wurden schrittweise durch Benko, seine Familienstiftung und andere Anteilseigner ersetzt. 

Allem Anschein nach gehört dazu auch die Industriellenfamilie Arduini-Koranyi. Sie hat einem Spiegel-Bericht zufolge früh Anteile an Signa erworben – und bei einer Schweizer Bank mit Bargeld bezahlt. Für die Öffentlichkeit und die Behörden blieb die Beteiligung lange Zeit verborgen, weil die Anteile einem Informanten zufolge treuhänderisch von der Benko Familienstiftung verwaltet wurden und deswegen in keinem öffentlichen Register erfasst waren.            

Signa: Risikoposten in den Bankbilanzen

Ein großer Teil des rasanten Wachstums von Signa ist kreditfinanziert. Solange die Werte der Immobilien – zumindest auf dem Papier – immer weiter gestiegen sind, sah das Risiko beherrschbar aus. Seitdem die hohen Immobilienbewertungen von Analysten hinterfragt werden und die Immobilienmärkte nicht zuletzt wegen steigender Zinsen unter Druck geraten sind, sind mehrere Aufsichtsbehörden nervös geworden und haben die Banken beauftragt, ihr Signa-Risiko zu prüfen. Eine der, Berichten zufolge, am stärksten exponierte Bank ist die österreichische Raiffeisenbank. Dort steht auch das Russlandgeschäft – das jahrelang auffällig hohe Gewinne erwirtschaftet hat – unter einem schlechten Stern. Ob Geld der russischen Kunden am Ende auch in Signa-Kredite geflossen ist, lässt sich genauso wenig nachvollziehen, wie die Ergebnisse der Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden – das Bankgeheimnis lässt grüßen.

Arbeitsplätze als Druckmittel

Bei seinem Auftritt in der Berliner Handelskammer präsentierte sich Benko vor allem als Unternehmer, der Innenstädte neu denkt und den Handel neu erfindet, der Kaufhäuser in Begegnungsorte verwandelt und Digitalisierung mit Präsenz in der Innenstadt verknüpft. Für Signa ist Karstadt nur einer von vielen Puzzlesteinen. Gemeinsam mit SportScheck gehören sie zur Signa Department Store Group, die wiederum – mit weiteren Handelsunternehmen – der Signa Retail gehört, die schließlich neben den anderen Geschäftszweigen unter dem Dach der Signa Holding steht. 

Die Karstadt-Mitarbeiter/innen erscheinen oft als ein opportunes Druckmittel auf die Politik. Mit dem Argument des Arbeitsplatzerhalts und dem Schreckensbild von verwaisenden Innenstädten hat Signa es unter fragwürdigen Umständen geschafft, hunderte Millionen an staatlicher Unterstützung zu erhalten, die allem Anschein nach nie zurückgezahlt werden können. Und in der  Letter-of-Intent-Vereinbarung mit dem Berliner Senat treibt Signa den Kuhhandel – Arbeitsplätze gegen Baugenehmigung – auf den Höhepunkt. 

Während die Politik bei dieser Verquickung mitspielt, sorgt das verzweigte Unternehmenskonstrukt dafür, dass umgekehrt die Immobilieninvestoren im Fall einer Karstadt-Pleite nicht haften, und auch die besonders profilierten Kaufhäuser wie das KaDeWe hängen unter einem anderen Dach als Karstadt. Sie sind mittlerweile zur Hälfte an die Central Group, das Handelsimperium einer thailändischen Milliardärsfamilie verkauft. Wohl nicht zum Schaden von René Benko.

 

Quelle: Christoph Trautvetter/Vereinfachte Darstellung basierend auf Neue Zürcher Zeitung 2023, Grafik: nmp

 

Christoph Trautvetter ist Wissenschaftlicher Referent beim Netzwerk Steuergerechtigkeit und Autor zahlreicher Studien zur Immobilienwirtschaft für die Rosa-Luxemburg-Stiftung.


MieterEcho 433 / Juni 2023

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