Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 436 / Oktober 2023

Was ist eigentlich Eigenbedarf?

Vermieter/innen haben bei Eigenbedarfskündigungen eine starke Position

Von Franziska Dams

Die Zahl der Kündigungen wegen Eigenbedarfs von Vermieter/innen ist in den vergangenen Jahren, trotz der in Berlin geltenden Kündigungsschutzklausel-Verordnung, die Mieter/innen bei einer Umwandlung ihrer Wohnung und dem anschließenden Verkauf für weitere 10 Jahre vor Eigenbedarfskündigungen schützt, kontinuierlich gestiegen. Doch was ist Eigenbedarf eigentlich? Ein Überblick.

Vermieter/innen können Mieter/innen den Wohnraum kündigen, wenn sie die Wohnung für sich selbst, für eine zu ihrem Haushalt gehörende Person oder Familienangehörige benötigen. Dies folgt aus der Formulierung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Allgemein wird dieser Kündigungsgrund als „Eigenbedarf“ bezeichnet. Voraussetzung für eine Eigenbedarfskündigung ist grundsätzlich, dass der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe vorweisen kann.

Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, erforderlich. Eine namentliche Benennung der Personen ist hierbei nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedenfalls dann keine zwingende Voraussetzung, wenn die Person anderweitig individualisierbar ist.

Zu den sogenannten privilegierten Personen, zugunsten derer eine Eigenbedarfskündigung möglich ist, zählen:

  •    Eltern,
  •    Kinder,
  •    Enkel,
  •    Großeltern,
  •    Geschwister,
  •    Stiefkinder, 
  •    sowie eine Pflegekraft für den Vermieter oder
       einen seiner Angehörigen.

Auch Neffen und Nichten hat der Bundesgerichtshof inzwischen in den Kreis der Berechtigten aufgenommen. Nicht zu dem privilegierten Personenkreis gehören hingegen weiterhin Verwandte wie Cousine, Schwager, Eltern der Lebensgefährtin, Sohn der Schwiegertochter, ein im Ausland lebender Abkömmling des Großvaters. Aber Vorsicht, auch für diese Personen kann unter Umständen die Geltendmachung von Eigenbedarf realisiert werden, wenn der Vermieter eine besonders enge Bindung nachweisen kann.

Gründe müssen präzisiert werden

Generell gilt, je weitläufiger der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft ist, desto enger muss die persönliche oder soziale Bindung zwischen dem Vermieter und dem Angehörigen im konkreten Einzelfall sein, um eine Kündigung wegen Eigenbedarfs zu rechtfertigen. Auch bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kommt eine Kündigung wegen Eigenbedarfs in Betracht. Dies ist dann möglich, wenn für einen Gesellschafter der GbR oder einen Angehörigen eines Gesellschafters Eigenbedarf besteht. Bei einer Kommanditgesellschaft (KG) kann eine Eigenbedarfskündigung zugunsten eines Mitarbeiters oder des Geschäftsführers der KG möglich sein. Bei einer GmbH & Co. KG, einer „normalen“ Kommanditgesellschaft oder einer offenen Handelsgesellschaft (oHG) ist eine Eigenbedarfskündigung für einen Gesellschafter hingegen nicht möglich.

Für eine formell ordnungsgemäße Begründung einer Eigenbedarfskündigung reicht es aus, die Eigenbedarfsperson zu benennen und das Interesse darzulegen, das diese an der Erlangung der Wohnung hat. Der Kündigungsgrund muss im Kündigungsschreiben dargelegt werden. Ist dies nicht der Fall oder ist die Angabe nicht ausreichend konkret, wird die Kündigung unwirksam und der Vermieter kann dies nicht dadurch heilen, dass er Gründe nachschiebt. Er ist auch nicht berechtigt, Gründe auszutauschen. Er darf die Gründe jedoch im Nachhinein ergänzen und genauer bestimmen.

Formell wirksam wäre z. B. folgende Formulierung: „Ich kündige wegen Eigenbedarfs für meine Tochter Clara, weil diese nach ihrem Auslandsaufenthalt nach Berlin zurückgekehrt ist, hier studieren und einen eigenen Hausstand gründen will.“ Formell unwirksam wäre hingegen folgende Formulierung: „Ich kündige wegen Eigenbedarfs für meine Tochter.“ Ob das Interesse an der Erlangung der Wohnung wirklich besteht, ist keine formelle, sondern eine inhaltliche Frage und wird im Fall einer Räumungsklage durch das Amtsgericht im Regelfall im Rahmen einer Beweisaufnahme geprüft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH reicht der Wille des Vermieters, in den eigenen Räumen zu wohnen, nicht aus. Erforderlich sind vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Geltendmachung von Eigenbedarf. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sowohl der BGH als auch das Bundesverfassungsgericht sehr niedrigschwellige Anforderungen an das Vorliegen eines „vernünftigen nachvollziehbaren Grundes“ stellen. Danach liegen zum Beispiel „vernünftige und nachvollziehbare Gründe“ vor,

  • wenn der Vermieter die Wohnung lediglich als Zweitwohnung benutzen will;
  • der Vermieter die Wohnung nur für wenige Wochen im Jahr für sich und seine Familie nutzen will;
  • die Tochter des Vermieters in der Wohnung mit ihrem Lebensgefährten eine Familie gründen möchte;
  • der Vermieter seine Wohn- und Arbeitsstätte im selben Haus haben will, um dort Geschäftspartner in wohnlicher Atmosphäre zu bewirten.

Generell gilt, dass der Eigennutzungswunsch auch ernsthaft verfolgt werden und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert sein muss. Eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht stellt eine unzulässige Vorratskündigung dar und ist unwirksam.

Steht im Zeitpunkt der Kündigung eine vergleichbare Wohnung frei, um den geltend gemachten Bedarf zu decken, fehlt es am „Benötigen“ der Wohnung und die Kündigung stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar.

Verfügt ein Vermieter über mehrere vergleichbare Wohnungen, steht es ihm grundsätzlich frei, welchem von mehreren Mieter/innen des Hauses er kündigt. Eine Sozialauswahl findet nicht statt, insbesondere handeln Vermieter/innen nach ständiger Rechtsprechung nicht treuwidrig, wenn die Wahl bei mehreren vergleichbaren Wohnungen auf diejenige mit dem ältesten Mietverhältnis und der niedrigsten Quadratmetermiete fällt. Flattert nach einem vorherigen Streit mit dem Vermieter z. B. über die Miethöhe plötzlich eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ins Haus, kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Kündigung treuwidrig ist, weil es dem Vermieter eigentlich darum geht, einen unliebsamen Mieter loszuwerden oder der geltend gemachte Eigenbedarf in Wahrheit nicht besteht.

Gelingt den Mieter/innen im Räumungsprozess der Nachweis, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht ist, wird die Räumungsklage abgewiesen.            

Hohe Hürden für betroffene Mieter/innen

Nicht selten berufen sich Mieter/innen, die mit einer Kündigung wegen Eigenbedarf konfrontiert sind, darauf, dass die Wohnung für den Vermieter oder die begünstigte Person viel zu groß und/oder zu luxuriös sei. Auch hier gilt, dass dieser Einwand nur eingeschränkt durch die Gerichte überprüfbar ist. Denn die Frage der Angemessenheit der Wohnung für den/die Begünstigten darf durch das Gericht nicht geprüft werden, lediglich ob Rechtsmissbrauch vorliegt. Rechtsmissbräuchlich ist nach Ansicht des BGH dabei nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen.

Sollte tatsächlich Eigenbedarf vorliegen und die Kündigung für die betroffenen Mieter/innen eine „besondere Härte“ darstellen, besteht die Möglichkeit, der Kündigung zu widersprechen. Eine derartige besondere Härte liegt dann vor, wenn die vertragsgemäße Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeuten würde und diese auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Auch hier gibt es wiederum keine Richtwerte, es handelt sich jeweils um Einzelfallentscheidungen der zuständigen Gerichte. Ein hohes Lebensalter des Mieters allein reicht jedenfalls nicht aus, um nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen zu können. Gleiches gilt bei einer Wohndauer von mehr als 30 Jahren im Mietobjekt oder das Fehlen von Ersatzwohnraum. Grundsätzlich gilt, dass die Mieter/innen die Härte konkret darlegen und beweisen müssen. Ist in einem Räumungsprozess strittig, ob gesundheitliche Gründe einen Umzug des Mieters unmöglich machen, darf das Gericht nicht allein anhand vorgelegter Atteste entscheiden, sondern muss in der Regel ein Gutachten einholen. 

Bitte beachten Sie: Die vorgenannten Ausführungen stellen lediglich einen Überblick über die Problematik der Eigenbedarfskündigung dar. Sollten Sie eine Kündigung erhalten, lassen Sie sich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen daher schnellstmöglich in einer unserer Beratungsstellen hierzu beraten!

 

Rechtsanwältin Franziska Dams ist Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und berät für die Berliner MieterGemeinschaft.


MieterEcho 436 / Oktober 2023

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