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MieterEcho 436 / Oktober 2023

Mietwohnungen müssen Mietwohnungen bleiben

Durch die Zunahme von Eigenbedarfskündigungen droht in Berlin vielen Mieter/innen die Wohnungslosigkeit

Von Klaus Mindrup

In den letzten zehn Jahren wurden in Berlin fast 150.000 Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt, was zu einer anhaltenden sozialen Krise und einer Verdrängungswelle in den Innenstadtkiezen führt. Um diesem Problem entgegenzutreten, sind weitreichende Reformen im Mietrecht notwendig.

Dass leere Wohnungen deutlich teurer zu verkaufen oder zu vermieten sind als vermietete Wohnungen, ist ein wesentlicher Treiber für Spekulation durch Privatpersonen. Da nach dem deutschen Mietrecht Kündigungen von Bestandsmietverträgen schwierig sind, wird nun verstärkt der Weg über Eigenbedarfskündigungen gewählt, oft ohne je die Absicht zu haben, in die gekündigte Wohnung selbst einzuziehen. Da es keine offizielle Statistik gibt, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. 

Es geht wie bei der möblierten Vermietung von Wohnungen oder auch der Vermietung als Ferienwohnungen darum, den in Deutschland herrschenden Rechtsrahmen zu unterlaufen, um Kasse zu machen. Aus meiner Sicht wäre ein generelles Verbot von Eigenbedarfskündigungen zwar wünschenswert, würde aber bei bestehenden Aufteilungen an höchstrichterlich eindeutig formulierten verfassungsrechtlichen Normen scheitern.

Was wirklich helfen würde, wäre tatsächlich eine klare gesetzliche Festschreibung, was ein Mietshaus oder eine auch Mietwohnung ist: Ein Haus oder eine Wohnung, die an Dritte zu einer Dauernutzung abgegeben wird, die im Rahmen des Mietrechtes zu bewirtschaften ist und die nicht vom Vermieter gekündigt werden darf, wenn keine Vertragsverstöße vorliegen. Und die im Falle eines Mietshauses auch nicht in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden darf.  

Steuerlich wären diese Häuser oder Wohnungen besonders zu behandeln, da eine spekulative Verwertung ausgeschlossen wird. Die politische Debatte über einen derartig grundsätzlichen Schritt wird in Deutschland noch nicht geführt, ist aber neben der Debatte über die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit dringend erforderlich und würde dem Rechtsfrieden dienen. Da diese Debatte länger dauern wird, sollte der Berliner Senat im Bundesrat parallel eine Reform des Rechtsrahmens für Eigenbedarfskündigungen beantragen. 

Forderungen an die Bundesregierung

Der Landesparteitag der Berliner SPD hat dazu im November 2022 auf meine Initiative hin folgende Forderungen beschlossen: Verlängerung der Kündigungssperrfrist nach Umwandlung von 10 auf 20 Jahre sowie die Beschränkung des Eigenbedarfs auf nahe Familienangehörige und die ständige, dauerhafte und ausschließliche Nutzung zu Wohnzwecken.

Ferner geht es um Schutz in besonderen Härtefällen, insbesondere bei hohem Alter, Erkrankungen und der Betreuung von Kindern. Falls kein gleichwertiger Wohnraum in der Nähe verfügbar ist, soll ebenfalls ein besonderer Schutz gelten. Falls eine Eigenbedarfskündigung nicht zu verhindern ist, sollen die Umzugskosten künftig von den Eigentümern übernommen werden.

Weitere Forderungen betreffen die Eindämmung des Missbrauchs, etwa durch angemessenen Schadensersatz für verdrängte Mieter/innen und hohe Bußgelder für missbräuchliche Kündigungen. Um das Umwandlungsgeschehen besser beobachten zu können, braucht es ein öffentlich einsehbares Register, ob und wann Mietshäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, um den Mieter/innen Klarheit über die geltenden Schutzfristen zu geben. Der Berliner Senat wird außerdem aufgefordert, von Eigenbedarfskündigungen betroffenen Mieter/innen bevorrechtigten Zugang zu kommunalen Wohnungen und Wohnungen mit Belegungsbindung zu gewähren.  

Besser für Berlin wäre es jedenfalls, wenn die Zeitbombe vieler weiterer Eigenbedarfskündigungen nicht hochginge. Die Lunte brennt, und es ist höchste Zeit, dass der Senat sein im Koalitionsvertrag verankertes Vorhaben angeht und sich „im Bundesrat weiterhin für Gesetzesänderungen zum Mieterschutz“ einsetzt – inklusive „Verbesserungen beim Kündigungsschutz (Schonfristzahlungen, Eigenbedarfskündigungen, Härtefallregelungen)“.  

Das alles muss schleunigst auf offener Bühne diskutiert werden, denn das Zuhause unzähliger Menschen ist kein Thema für das Hinterzimmer, auch und gerade, wenn ein entsprechender Vorstoß beim ersten Mal scheitert. Denn aktuell ist nicht damit zu rechnen, dass eine solche Initiative sofort eine Mehrheit im Bundesrat und Bundestag finden wird. Wir brauchen die öffentliche und politische Diskussion, was gerade in unseren Städten geschieht. Deswegen müssen möglichst viele konkrete Fälle von Eigenbedarfskündigungen und die dahinterstehenden Schicksale öffentlich gemacht werden. Überall in Deutschland sollten Betroffene das Gespräch mit politischen Entscheidungstragenden suchen und aufzeigen: Hier dreht es sich eben um mehr als ein „Berlin-Problem“. 

Dass ein besserer Schutz der Mietenden machbar ist, zeigen die Erfolge beim Umwandlungsschutz von Miet- in Eigentumswohnungen: Die Vernetzung von Initiativen und Betroffenen brachte das Thema auf die Agenda und in die Medien.  Schließlich konnten wir als SPD-Bundestagsfraktion das Thema bei der Novellierung des Baugesetzbuches adressieren und auch den Koalitionspartner CDU/CSU überzeugen, sogar über den damaligen Koalitionsvertrag hinaus.

Ein erfreuliches Beispiel und ein Vorbild für ein kluges Vorgehen ist die Reichenberger Straße 55 in Kreuzberg. Dem Haus drohte die Entmietung, was ich seinerzeit ein „perverses Geschäftsmodell“ nannte: Aufkauf von Altbauten, Loswerden der Hausgemeinschaft, Verkauf der Wohnungen. Die Mieterschaft vernetzte sich über die Initiative „Bizim Kiez“ mit 40 anderen Häusern der betroffenen Firma, und verdrängte diese. Nicht umgekehrt.

Diese Geschichte begann mit einem besonderen offenen Brief: 130 Mieter/innen  unterschrieben mit Namen, Alter, Beruf und persönlichen Zitaten. Und zeigten: Wir sind die Gesellschaft, wir sind betroffen – und fordern Lösungen von der Politik. Solch eine Vernetzung würde auch den Betroffenen von Eigenbedarfskündigungen helfen. 

Viele Häuser wurden noch spekulativ umgewandelt, die Wohnungen verkauft, seitdem laufen für Mieter/innen die Schutzfristen. Parallel fallen immer mehr geförderte Wohnungen aus der Sozialbindung. Nach deren Auslaufen weiß niemand genau, was mit den einstmals geförderten Objekten geschieht. 460 Millionen Euro wurden alleine in Pankow (vor allem in den 1990er Jahren) für die Sanierungsförderung in den Stadtsanierungsgebieten ausgewiesen. 

Sicheres Wohnen muss die Norm werden

Land und Bezirk wissen in den meisten Fällen nicht, was aus den geförderten Objekten nach Auslauf der Bindungen geworden ist. Eine positive Ausnahme sind die Wohnungsgenossenschaften, denn sie sichern auf Dauer bezahlbaren Wohnraum. Dieses Beispiel zeigt die Notwendigkeit, im Bereich der Wohnungsbauförderung langfristig zu denken, klare gesetzliche Regeln zu verankern und zugleich kurzfristig den Schutz von Mieter/innen zu verbessern. 

Schnell helfen würde auch ein zentrales Register von Eigenbedarfskündigungen. Eigenbedarf betrifft normalerweise eine Wohnung – doch wer weiß schon, wie oft er von Hausbesitzern geltend gemacht wird, in verschiedenen Wohnungen, Kiezen, Städten? Das Geschäft ist sehr lukrativ, und es sind schon mehrere derartige Fälle enttarnt worden. Wenn Frau Müller aus Pankow von Herrn Meier wegen eines Eigenbedarfs gekündigt wird, und Herr Meier bereits durch diese Praxis auffiel, werden die Betroffenen vernetzt und man schaut sich an, ob der Kündigungsgrund echt ist, und hat dann vor Gericht bessere Chancen, zu gewinnen. 

Der Mangel an bezahlbarem Mietwohnraum geht immer zu Lasten der Ärmeren.  Deswegen ist der Bestandsschutz so wichtig. Die „sichere“ Wohnung dient dem Rechtsfrieden und dem guten Miteinander in unserer Gesellschaft. Und genau deswegen gehört Deutschland zu den wenigen Ländern in der Welt, in denen Vermieter kein generelles Kündigungsrecht gegenüber Mieter/innen haben. 

Aktuell argumentiert vor allem die FDP gegen einen besseren Schutz von Mieter/innen. Sie verweist auf das Eigentumsrecht des Grundgesetzes, vergisst dabei aber zwei wichtige Punkte: Erstens ist das Eigentum laut Grundgesetz sozialverträglich zu nutzen. Und zweitens hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass auch der Besitz der Mietenden an einer Wohnung durch das Eigentumsrecht des Grundgesetzes geschützt ist. Deswegen ist auch der Kampf gegen die Spekulation, für eine klare rechtliche Definition von Mietshäusern und für besseren Schutz vor Eigenbedarfskündigungen rechtlich möglich. Es geht um den sozialen Frieden in unserem Land, in unserer Stadt. Da lohnt es sich, die Auseinandersetzung zu führen, auch wenn wir einen langen Atem brauchen werden.   

 

Klaus Mindrup ist Diplom-Biologe und aktiver Wohnungsgenossenschaftler. Von 2013-2021 saß er für die SPD im Deutschen Bundestag.



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