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MieterEcho 436 / Oktober 2023

Mieter/innen fragen – wir antworten

Fragen und Antworten zur Eigenbedarfskündigung

Von Rechtsanwalt Jan Becker

Unsere Wohnung ist letzten Monat verkauft worden. Jetzt haben wir sofort eine Kündigung wegen Eigenbedarfs der Vermieter erhalten. Ich meine, dass die Kündigung verboten ist, wenn man eine Wohnung gekauft hat. Stimmt das?

Ihre Frage, ob die Ihnen erklärte Kündigung zulässig ist, kann so nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden. Dazu reichen Ihre Angaben nicht aus. Tatsächlich gibt es Fälle, in denen die Kündigung wegen Eigenbedarfs für die Vermieter ausgeschlossen ist. In seltenen Fällen ergibt sich sogar schon aus dem Mietvertrag, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs nicht erlaubt ist. Wenn der Mietvertrag dazu nichts aussagt, hilft das Gesetz. In § 577a BGB sind die Voraussetzungen für die Kündigungsbeschränkung geregelt. Die Prüfung, ob im konkreten Fall ein Kündigungsverbot oder eine Kündigungsbeschränkung gilt, kann in den Details relativ kompliziert werden. Oft ist es erforderlich, zunächst eine Auskunft vom Grundbuchamt einzuholen, ob es sich um eine Eigentumswohnung handelt, seit wann die Wohnung eine Eigentumswohnung ist und wem diese aktuell gehört. Außerdem können in Berlin Regelungen zu Milieuschutzgebieten relevant werden. Sie sollten sich unter Vorlage Ihres Mietvertrages, vorhandener Unterlagen zu eventuellen Eigentumswechseln und der Kündigung in einer unserer Beratungsstellen beraten lassen. 

Wir haben eine Kündigung erhalten mit der Begründung, dass die Tochter unserer Vermieterin einen eigenen Hausstand begründen will und deswegen jetzt eine neue Wohnung braucht. In unserem Mietvertrag steht, dass der Mietvertrag in drei Jahren enden wird, weil danach die Vermieterin selbst einziehen will. Müssen wir dann jetzt schon raus, wenn jetzt die Tochter einziehen will?

Nein. Diese Kündigung ist unwirksam. Sie haben einen Zeitmietvertrag. Die gesetzlichen Regelungen finden Sie in § 542 BGB. In Ihrem Fall bedeutet dies, dass Ihr Mietverhältnis in drei Jahren aus dem im Vertrag bestimmten Grund endet. Und das nur, wenn dieser Grund auch in drei Jahren noch besteht, also wenn Ihre Vermieterin nach Ablauf der drei Jahre tatsächlich immer noch selbst einziehen will. Eine ordentliche Kündigung ist während dieser drei Jahre grundsätzlich ausgeschlossen. Sogenannte außerordentliche Kündigungen und fristlose Kündigungen sind jedoch auch beim Zeitmietvertrag möglich. Darunter versteht man Kündigungen wegen gravierender Verstöße gegen Pflichten aus dem Mietvertrag, weil Sie beispielsweise die Miete nicht zahlen. Nicht zulässig sind in dieser Zeit Kündigungen wegen Eigenbedarfs. 

Wir haben unsere Wohnung von einer Firma gemietet, die in ihrem Namen die Bezeichnung „GmbH“ hat. Jetzt haben wir eine Kündigung erhalten mit der Begründung, dass der Vater des Geschäftsführers in unsere Wohnung ziehen soll, weil er dann näher bei seiner Familie wohnen und diese ihn regelmäßig besuchen und ihm im Alltag helfen kann.

Hier würde ich zuerst noch mal ganz genau nachsehen, ob Sie wirklich von dieser GmbH gemietet haben oder ob diese GmbH vielleicht nur die Hausverwaltung ist. Ob das so ist oder nicht, können Sie normalerweise aus dem Mietvertrag entnehmen. Wenn es während des Mietverhältnisses einen Vermieterwechsel gegeben hat, sollten Sie darüber durch den vorherigen Vermieter unterrichtet worden sein. Prüfen Sie Ihre Unterlagen. Notfalls finden Sie diese Information im Grundbuch. Wenn diese GmbH tatsächlich Ihre Vermieterin ist, ist diese Kündigung nach meiner Einschätzung unwirksam. Denn das Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs setzt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB voraus, dass der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Haushaltsangehörigen benötigt. Das bedeutet, der Vermieter selber müsste wohnen können. Wohnen ist das Benutzen von Räumen zum Schlafen, zur Körperpflege und Versorgung mit Nahrung und allem, was man sonst noch so braucht. Eine GmbH ist eine juristische Person, ein rechtliches Konstrukt, das im Wesentlichen aus Geld und Rechten besteht. Eine juristische Person kann nicht wohnen. In Ausnahmefällen lassen die Gerichte aber gelten, dass eine GmbH für ihren Geschäftsführer (nicht aber für Gesellschafter) Eigenbedarf haben kann, wenn dieser diese eine Wohnung unbedingt benötigt. Für Verwandte des Geschäftsführers ist so etwas bis jetzt noch nie positiv entschieden worden vor Gericht.

Unser Vermieter hat mir gekündigt mit der Begründung, dass seine Nichte, also die Tochter seiner Schwester, eine Wohnung benötigt. Das erscheint mir ganz schön weit hergeholt. Ist diese denn überhaupt eine Angehörige des Vermieters?

Es ist in der Rechtsprechung immer noch umstritten, welche Personen konkret als Familienangehörige oder nahe Verwandte anzusehen sind, so dass für diese ein Recht zur Kündigung wegen Eigenbedarfs besteht. Einigkeit besteht darüber, dass nicht alle, die mit dem Vermieter verwandt oder verschwägert sind, Familienangehörige im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind. Aktuell kann der Vermieter für eher enge Familienangehörige kündigen: Ehepartner/innen, Eltern, Großeltern, Kinder, Stiefkinder, Enkel, Urenkel, Geschwister, Nichten und Neffen. Außerdem können auch Schwiegereltern und eventuell Schwägerinnen oder Schwager dazu zählen, wenn der Vermieter zu diesen Personen auch tatsächlich eine enge persönliche Beziehung hat. Eine Eigenbedarfskündigung ist sogar auch für Personen, die zum engeren Haushalt des Vermieters gehören, zulässig. In Ihrem Fall dürfte die Kündigung also wirksam sein, wenn nicht andere Gründe gegen die Wirksamkeit sprechen, zum Beispiel Formfehler.

Unsere Vermieter haben uns gekündigt, weil sie ab jetzt immer im Dezember von etwa Mitte des Monats bis zum Frühjahr um Ostern in Berlin sein wollen. Den Rest des Jahres leben sie in Spanien. Ist diese Kündigung jetzt berechtigt?

Tatsächlich sieht es so aus, als wenn Ihre Vermieter hier gute Chancen darauf haben, die Kündigung durchzusetzen. Aus veröffentlichten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts geht hervor, dass die Vermieter relativ frei sind, wie sie ihre Wohnung konkret nutzen. Das liegt daran, dass die Wohnung jeweils im Eigentum der Vermieter steht, und das Eigentumsrecht im Grundgesetz einen relativ hohen Stellenwert hat. Auch zeitlich begrenzter Bedarf an der Nutzung der Wohnung – also nur einige Wochen oder Monate im Jahr – wird vom Bundesgerichtshof immer wieder als ausreichend für Eigenbedarf erachtet. Dabei muss man wissen, dass es in diesen Fällen typischerweise um Sachverhalte ging, in denen die Vermieter eine besondere Beziehung zu der Stadt hatten, etwa weil sie dort regelmäßig Familientreffen abhielten, oder schon viele Jahre immer wieder dorthin zurückkehrten. Gleichzeitig findet man dazu in diesen veröffentlichten Entscheidungen immer wieder die Formulierung, dass die Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraumes darlegen müssen. Die Gerichte prüfen aber grundsätzlich nicht, ob die Art und Weise, wie der Vermieter seine Wohnung nutzen will, im Hinblick auf den allgemeinen Wohnungsmarkt angemessen ist.

Ich habe eine Kündigung bekommen, in der Folgendes steht: „Ich kündige Ihnen das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Ich benötige die Wohnung für eines meiner Kinder, weil es sonst keine eigene Wohnung hat. “ Muss ich jetzt ausziehen? 

Wenn die Kündigung so allgemein formuliert ist, reicht das nicht aus. Diese Kündigung ist unwirksam. Sie müssen also nicht ausziehen. Beachten Sie, dass Sie dieser Kündigung nicht widersprechen müssen. Sie müssen auch nicht erklären, warum diese Kündigung nicht wirksam ist. Eine Kündigung ist nämlich immer schon von sich heraus entweder wirksam oder unwirksam. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes einseitiges Rechtsgeschäft. Das bedeutet, dass nur eine Person eine Erklärung abgibt. Die ist dann wirksam oder nicht, je nachdem, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn Sie hier sofort antworten und Ihrem Vermieter sagen, dass und warum Sie die Kündigung für nicht wirksam halten, geben Sie ihm damit unter Umständen nur Hinweise, eine neue Kündigung zu erklären. Sie würden also Ihrem Vermieter helfen, Ihnen wirksam zu kündigen. Das sollten Sie unbedingt vermeiden.

Ich habe eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erhalten. Ich habe jetzt gelesen, dass mir der Vermieter eine Wohnung anbieten muss, wenn im Haus eine andere Wohnung frei wird. Wenn er das nicht macht, dann ist die Kündigung unwirksam. Direkt neben meiner Wohnung ist jetzt eine andere Wohnung frei geworden, die auch dem Vermieter gehört. Er bietet mir diese Wohnung aber nicht an. Kann ich die Kündigung jetzt einfach ignorieren?

Nein, diese Kündigung müssen Sie immer noch sehr ernst nehmen. In früheren Zeiten war es mal so, dass der Bundesgerichtshof und auch alle anderen Gerichte vertreten haben, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs unwirksam ist, wenn der Vermieter andere Wohnungen hat, die frei sind. Dann musste der Vermieter diese Wohnungen wenigstens anbieten. Tat er das nicht, wurde die Kündigung schon deswegen als unwirksam angesehen. Diese Auffassung haben der Bundesgerichtshof und alle anderen Gerichte schon seit vielen Jahren aufgegeben. Wenn Sie dazu im Internet oder in Zeitschriften heute noch lesen, dass es eine Anbietpflicht für den Vermieter gibt, deren Verletzung dazu führen kann, dass die Kündigung unwirksam ist, sind diese Informationen veraltet und falsch. Die Anbietpflicht gibt es noch, aber wenn sich der Vermieter daran nicht hält, folgen daraus nur gewisse Schadensersatzansprüche, die Ihnen im Kampf für den Erhalt Ihrer Wohnung allerdings nicht helfen.

Ich bin mir sicher, dass mein Vermieter gelogen hat, als er seinen Eigenbedarf in meiner Kündigung behauptet hat. Ich meine, dass ich jetzt einen gepfefferten Widerspruch schreiben kann und dann weise ich ihn in die Schranken. Ich habe gelesen, dass ich dazu ein Recht habe nach § 574 BGB. Was schreibe ich am besten in den Widerspruch?

Auch hier weise ich nachdrücklich darauf hin, dass Sie strategisch viel besser dran sind, wenn Sie auf eine Kündigung, die wahrscheinlich unwirksam ist, nicht übereilt reagieren. Damit meine ich, dass Sie Ihrem Vermieter jetzt erst mal nicht schreiben sollten. Trotzdem können und sollten Sie aktiv werden und sich auf die Verteidigung gegen die Kündigung vorbereiten. Dazu ist es sehr hilfreich, alle Beweise zu sammeln, die aus Ihrer Sicht gegen den behaupteten Eigenbedarf sprechen. Das können Meldeadressen der jetzigen Vermieter oder deren Angehöriger sein oder sonstige Gegebenheiten, die sich ereignet haben. Der Widerspruch nach § 574 BGB ist kein allgemeiner Widerspruch, den man erheben muss. Mit diesem Widerspruch kann und muss man nur die besondere Härte gegen die Räumung einer Wohnung geltend machen. Eine besondere Härte wird so definiert, dass die Räumung der Wohnung, also der Verlust der Wohnung, für Sie viel schlimmer wäre als das sonst für Mieter/innen der Fall ist. Eine besondere Härte wird in der Regel angenommen bei besonders schwerkranken Personen, die nicht mehr umziehen können. Eine besondere Härte kann auch vorliegen, wenn Sie intensiv nach Wohnungen suchen und trotzdem keine Wohnung finden. Die ernsthafte Wohnungssuche müssen Sie nachweisen können. Der Widerspruch muss spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich, das heißt im Original mit Ihrer Unterschrift, bei Ihrem Vermieter eingegangen sein. Die Details können allerdings sehr kompliziert werden. Lassen Sie sich dazu auf jeden Fall am besten nach Zugang der Kündigung und dann noch einmal rechtzeitig vor Ablauf der Frist beraten.

Welche Rechte habe ich, wenn ich beweisen kann, dass mein Vermieter den Eigenbedarf vorgetäuscht hat?

Wenn Sie noch nicht ausgezogen sind und gegen Sie noch keine Räumungsklage erhoben ist oder eine Räumungsklage schon läuft, es aber noch keine mündliche Verhandlung und noch kein Urteil gab, haben Sie gute Chancen, dass das Gericht die Klage abweist und Sie in der Wohnung bleiben können.

Wenn Sie allerdings schon ausgezogen sind, haben Sie nur einen Schadensersatzanspruch. Dieser umfasst die mit dem Umzug zusammenhängenden Kosten, wie Umzugskosten, Renovierungskosten sowie Mehrkosten für Ihre neue Wohnung. Letzteres bedeutet, dass der Vermieter Ihnen die Differenz zwischen der Miete Ihrer bisherigen und der neuen Wohnung zahlen muss. Wenn die neue Wohnung also 300 Euro pro Monat teurer ist als die alte Wohnung, muss Ihr Vermieter 300 Euro pro Monat zahlen. Allerdings muss er das nur für einen begrenzten Zeitraum. Von der Rechtsprechung wird dieser in der Regel auf 3½ Jahre begrenzt.

Aber Vorsicht: Der Schadensersatzanspruch kann unter bestimmten Voraussetzungen auch entfallen. Lassen Sie sich zu dieser komplizierten Problematik beraten.

 

Rechtsanwalt Jan Becker berät in der Beratungsstelle in der Sonnenallee 101 in Neukölln.


MieterEcho 436 / Oktober 2023