Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 437 / Dezember 2023

Kaum bezahlbarer Wohnraum für Studierende

Explodierende Nebenkosten, Mangel an Wohnheimplätzen und unzureichendes BAföG verschärfen die Krise

Von Tom Küstner

Im Oktober startete das neue Wintersemester. Für die knapp 200.000 Studierenden in der Hauptstadt gestaltet sich die Suche nach bezahlbarem Wohnraum besonders schwierig.  Am 28. September 2023 veröffentlichte die Finanzberatung MLP gemeinsam mit dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ihren jährlichen MLP-Studentenwohnreport. Der Report dokumentiert, dass die Anzahl an zur Verfügung stehenden Wohnungen und WG-Zimmern für Studierende in allen 38 untersuchten Hochschulstädten im Vergleich zum Vorjahr weiter sinkt und die Preise gleichzeitig teilweise deutlich gestiegen sind. 

Für geeignete Unterkünfte in Berlin wird um Schnitt mittlerweile ein Quadratmeterpreis von 17 Euro nettokalt verlangt. Nach München (22 Euro) belegt Berlin damit den zweiten Platz der teuersten Städte. In kleinen Wohnungen mit weniger als 40 qm liegen die Preise in Berlin (18 Euro) und München (25 Euro) noch etwas höher. Für eine Studentenbude in Berlin mit 40 qm ergibt sich so eine durchschnittliche Nettokaltmiete von etwa 680 Euro. Eine Wohnung mit 30 qm kostet durchschnittlich 540 Euro und eine Wohnung mit 20 qm bereits knapp 380 Euro. Laut Studentenwohnreport wird für ein WG-Zimmer mit 20 qm im Schnitt eine Miete von 400 Euro verlangt, wobei dies dann auch die gemeinsame Nutzung von Küche und Gemeinschaftsräumen beinhaltet.

Das sind jedoch lediglich die Preise für die Nettokaltmiete. Zu einer regelrechten Kostenexplosion führten im vergangenen Jahr vor allem Preissteigerungen für das Heizen und die kalten Nebenkosten. In Berlin stiegen die Heizkosten zwischen Januar 2022 und Juni 2023 um 52%. Die kalten Nebenkosten erhöhten sich um 7%. Für eine 30 qm-Wohnung ergibt sich so eine Bruttowarmmiete von durchschnittlich 652 Euro, bei 40 qm sind es bereits 797 Euro.

Das geringe Angebot an preiswerten Wohnungen führt dazu, dass immer mehr Studienanfänger bei ihren Eltern wohnen bleiben. Laut CHE-Hochschulranking ist dies in Berlin mit 32% bereits die größte Gruppe und damit etwa 10% mehr als noch 2013.

Bedarfslücke wird stetig größer   

Die studentische Wohnungsnot ist das Ergebnis von drei gleichzeitig zu verzeichnenden Entwicklungen. In Ballungsräumen, zu denen die meisten Universitätsstädte gehören, sind Menschen mit niedriger Kaufkraft am spekulationsgetriebenen Immobilienmarkt ohnehin stark benachteiligt. Das betrifft auch andere gesellschaftliche Gruppen mit wenig Geld, aber eben auch Studierende, die auf kein großes Finanzpolster zurückgreifen können.

Ferner ist die Anzahl der Studienplätze stark gestiegen, laut dem Deutschen Studierendenwerk seit 2008 um 50%. In Berlin pendelte die Zahl der Studienplätze zwischen 1992 und 2010 zwischen 130.000 bis 150.000. Seit 2010 stieg die Zahl dann kontinuierlich um durchschnittlich fast 5.000 Plätze pro Jahr und erreichte 2021 einen bisherigen Höchststand von knapp 204.000 Studierenden. Aber die Errichtung von ausreichend staatlich geförderten Wohnheimplätzen wurde im selben Zeitraum versäumt. Deren Anzahl erhöhte sich laut dem Deutschen Studierendenwerk in den vergangenen 15 Jahren lediglich um 7%. 

Für den Zuwachs an Studienplätzen in Berlin ist vor allem die Vielzahl von Neueröffnungen häufig privater Fachhochschulen verantwortlich. Während an den drei großen Berliner Universitäten (FU, TU und Humboldt-Universität) die Ausbildungskapazitäten zwischen 1992 und 2021 von 119.524 auf 129.359 Studienplätze nur moderat stiegen, erhöhte sich die Zahl der Studierenden an den Fachhochschulen im selben Zeitraum von 17.483 auf 67.419. Die Zahl der Fachhochschulen erhöhte sich von neun auf insgesamt 32.

Die aktuelle Bundesregierung hatte im April 2023 angekündigt, 500 Millionen Euro Bundesmittel für ein Programm „Junges Wohnen“ zur Verfügung zu stellen. Die Bundesländer, die diese Bauvorhaben auf den Weg bringen müssen, sollen damit rund 5.700 neue Wohnheimplätze schaffen. Bis 2025 soll das Programm fortgeschrieben und mit weiteren 1,5 Milliarden Euro ausgestattet werden.

Angesichts der schwer zu überblickenden Unwägbarkeiten, denen sich die Bauwirtschaft ausgesetzt sieht, wie gestiegenen Zinsen und Baukosten, Fachkräftemangel sowie Energie-, Boden- und Rohstoffpreisen, ist es schwer vorherzusagen, ob diese Neubauziele überhaupt erreicht werden können und bis wann die Wohnplätze dann auch wirklich bezugsfertig zur Verfügung stehen.

Berlin ist mit seinen rund 9.200 Wohnplätzen in Studierendenwohnheimen, die bei 200.000 Studierenden weniger als 5% des Bedarfs abdecken, besonders schlecht mit Wohnheimplätzen ausgestattet. Und bei den landeseigenen Wohnungsbauunternehmen (LWU) spielen Wohnplätze speziell für Studierende bisher kaum eine Rolle. Eine Ausnahme bildet die landeseigene Berlinovo. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Schriftliche Anfrage im Abgeordnetenhaus zum Thema Neubau von Wohnungen für Studierende durch die LWU hervor. Das Unternehmen, das in der Vergangenheit vor allem mit der Bewirtschaftung von Altbeständen und Verpflichtungen, die der Bankenskandal hinterlassen hatte, beauftragt war, bietet als einziges Unternehmen eine nennenswerte Menge an Wohnraum speziell für Studierende an und beziffert die Zahl der Wohnplätze mit 2.156. Bis Ende des Jahres 2023 will das Unternehmen zusätzliche 700 Wohnplätze fertigstellen und bis 2026 sind weitere 3.292 Plätze in der Planung. Die Angebote der übrigen LWU bewegen sich dagegen im Bereich von 100 – 250 Plätzen je Unternehmen. Allerdings positioniert sich die Berlinovo mit durchschnittlichen Bruttowarmmieten von 440 Euro auch im oberen Drittel der Preisskala, während zum Beispiel die Gesobau in Berlin-Mitte auch Wohnplätze für 312 Euro anbietet.  

Bund und Land müssen handeln

Die Preissteigerungen werden von den Entwicklungen im BAföG in keiner Weise abgebildet. Neben der Tatsache, dass ohnehin bloß etwa 17% der Studierenden überhaupt BAföG erhalten, betrug der durchschnittliche Zuschuss zum Unterhalt hier lediglich 592 Euro. Angesichts der hohen Wohnkosten werden also auch BAföG-Empfänger/innen häufig noch zusätzlich arbeiten müssen, um die Lebenshaltungskosten bezahlen zu können. Obwohl Studierendenwerke und Studierendenvertretungen bereits seit langem Verbesserungen sowohl in der Höhe des BAföG, als auch bei der Zahl der Bezugsberechtigten fordern, sind entsprechende Schritte von der Ampel-Koalition und der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), wegen des dogmatischen Festhaltens an der Schuldenbremse nicht zu erwarten.

Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, betont, dass die Wohnungsnot der Studierenden nicht getrennt von der allgemeinen Krise am Mietwohnungsmarkt betrachtet werden sollte und auch nicht gelöst werden kann. „Wegen der fehlenden Mietenregulierung im Bestand, wie gesetzlichen Neuvermietungsobergrenzen oder einem fehlenden Mietendeckel, besteht ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum für alle einkommensschwachen Gruppen, zu denen eben auch viele Studierende zählen“, so Schulze. Außerdem hinke der Senat seinen eigenen Ausbauzielen seit Jahren hinterher und müsse „den in Berlin entstandenen Rückstand bei Wohnheimplätzen endlich aufholen“, fordert Schulze.

Vom Senat verlangt der Linken-Politiker, dass das Studierendenwerk Berlin künftig selbst eigene Bauvorhaben durchführen kann und ihm dafür auch die Aufnahme von Krediten ermöglicht werden muss. Dabei könnte das Studierendenwerk in geeigneten Fällen auch mit den LWU kooperieren. „Für beides muss der Senat endlich die rechtlichen Voraussetzungen schaffen“, so Schulze.

Das Versagen der Politik in der Wohnungsfrage bedeutet für viele Studierende, dass ein sicherer, bezahlbarer Platz zum Wohnen während des Studiums zum Luxusgut geworden ist. Unsicherheit, beengte Wohnverhältnisse, Belastung durch zusätzliche Jobs, Wohnen im Hostel, prekäre Untermietverträge und Abhängigkeitsverhältnisse sind für die meisten zur Normalität geworden. Wer sich noch an die Proteste von Studierenden in vergangenen Zeiten erinnert, muss sich sehr wundern, dass es auf den Straßen Berlins in dieser Frage bislang so ruhig geblieben ist.        

 


MieterEcho 437 / Dezember 2023

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