Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 436 / Oktober 2023

Das Übel an der Wurzel packen

Nur mit einem umfassenden Verbot von Eigenbedarfskündigungen könnten Mieter/innen wirksam vor Verdrängung geschützt werden

Von Rainer Balcerowiak

Es war schon recht erstaunlich, dass 2021 mit Horst Seehofer (CSU) ausgerechnet ein Bundesbauminister aus den Reihen der Unionsparteien ein Gesetz auf den Weg brachte, das die Länder ermächtigte, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit „angespannten Wohnungsmärkten“ unter einen Genehmigungsvorbehalt zu stellen.   

Schließlich galten und gelten CDU und CSU besonders auf Bundesebene seit jeher als zuverlässige Partner der Immobilienlobby, die davon auch wenig begeistert war. Vier Kriterien wurden als Entscheidungsgrundlagen für die Länder vorgegeben. 1.) Die Mieten steigen deutlich stärker als im bundesweiten Durchschnitt. 2.) Die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte übersteigt deutlich den bundesweiten Durchschnitt. 3.) Die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird. 4.) Es besteht geringer Leerstand bei großer Nachfrage. 

Allerdings hatte das „Baulandmobilisierungsgesetz“, in dem die Neuregelung für die Umwandlung untergebracht wurde, im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens einige Änderungen erfahren. Man könnte auch sagen, dem Genehmigungsvorbehalt wurden durch diverse Ausnahmetatbestände einige Zähne gezogen. So gilt das Genehmigungserfordernis nicht, wenn sich in dem Wohngebäude nicht mehr als fünf Wohnungen befinden. Zudem können die Länder diese Grenze auf bis zu 15 Wohnungen ausweiten. 

Ferner muss die Genehmigung erteilt werden, wenn 1.) das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterb/innen oder Vermächtnisnehmer/innen begründet werden soll, 2.) das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll, 3.) das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter/innenn veräußert werden soll und 4.) auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht mehr zumutbar ist. Besonders gravierend ist ferner, dass das Gesetz befristet ist und zum 31. Dezember 2025 ausläuft. Wird es nicht verlängert, können Umwandlungen anschließend wieder genehmigungsfrei erfolgen. 

Seehofers Gesetz als „Befreiungsschlag“

Der „rot-rot-grüne“ Berliner Senat handelte relativ schnell, und so trat bereits knapp drei Monate nach Inkrafttreten der Bundesregelung eine entsprechende Landesverordnung am 6. August 2021 in Kraft. Dabei gab es einige formale Unstimmigkeiten, und so musste die Verordnung erneut erlassen und fristgerecht im Amtsblatt samt der kompletten Begründung veröffentlicht werden. Sie galt dann ab dem 7. Oktober 2021.

Beim Senat sah man dies durchaus als Befreiungsschlag. Denn in den Vorjahren hatte sich das Umwandlungsgeschehen rasant beschleunigt, 2020 wurden 19.000 entsprechende Vorgänge registriert, 2021 waren es gar 29.000, weil die Immobilienbranche die vorerst letzte Chance vor dem „drohenden“ Gesetz nutzen wollte. Zudem hatte sich die 2013 erlassene „Umwandlungsverordnung“ der damaligen Landesregierung, die sich aufgrund der fehlenden Regelungskompetenz des Landes Berlins ohnehin nur auf Milieuschutzgebiete bezog, als weitgehend wirkungslos erwiesen. Denn auch sie beinhaltete weitgehende „Ausnahmetatbestände“, die die Versagung der Umwandlung ausschlossen. So reichte es, wenn der Besitzer erklärte, dass er die Wohnung in den ersten sieben Jahren nach Umwandlung nur an den jeweiligen Mieter verkaufen würde. Falls es während dieser Frist aber zu einem Mieterwechsel kommt, hat ein neuer Mieter keinen Anspruch auf den zusätzlichen Schutz von 5 Jahren vor einer Eigenbedarfskündigung. Ferner gab es auch bei dieser Verordnung zahlreiche Schlupflöcher, etwa wenn das Nichtzulassen der Umwandlung für den Eigentümer zur „wirtschaftlichen Unzumutbarkeit“ führen würde.

Wenn die seit 2021 geltende Verordnung ausläuft, gelten in den Milieuschutzgebieten wieder die vorherigen Regeln und generell für ganz Berlin die zehnjährige Schutzfrist vor Eigenbedarfskündigungen. Doch es gibt Lücken. So kann beim Erwerb von Eigentumswohnungen im Rahmen von Zwangsversteigerungen ein Sonderkündigungsrecht geltend gemacht werden, das allerdings substanziell begründet werden muss. Wenig bekannt ist ferner, dass ein privater Hausbesitzer im Prinzip auch Eigenbedarf für eine Mietwohnung geltend machen kann, wenn diese nicht in Einzeleigentum umgewandelt wurde.

Die befristete Regelung zum generellen Genehmigungsvorbehalt hat zweifellos eine gewisse Wirkung entfaltet, die auch in den verbleibenden drei Jahren anhalten wird. Das gilt besonders für Umwandlungen in Milieuschutzgebieten. Deren Zahl belief sich 2021 noch auf rund 13.000, 2022 waren es nur noch knapp 900. Doch es ist bereits jetzt absehbar, dass sich der „Umwandlungsstau“ ab 2026 in neuen Rekordzahlen entladen wird, denn die Nachfrage nach Wohneigentum ist ungebrochen. Und weder von der aktuellen, noch von einer künftigen Bundesregierung ist zu erwarten, dass diese Regelung aus Seehofers Baulandmobilisierungsgesetz erneut aufgelegt wird. Zumal die „Eigentumsförderung“ auch für den Erwerb von Bestandsimmobilien von fast allen Parteien wieder verstärkt in den wohnungspolitischen Kanon aufgenommen wird. 

Für immer mehr Berliner Mieter/innen bedeutet dies schlicht, dass sie in ihren Wohnungen auf einer tickenden Zeitbombe sitzen. Ohnehin ist der drohende Verlust der angestammten Wohnung – auch wenn dies erst in einigen Jahren akut werden würde – eine andauernde Belastung. Verstärkt wird dies aber durch die Tatsache, dass es für sehr viele Haushalte schlicht ein Ding der Unmöglichkeit ist und sein wird, eine vergleichbare, bezahlbare Wohnung zu finden – schon gar nicht in jenen Stadtteilen, in denen sich das Umwandlungsgeschehen konzentriert.

Die Stellschrauben der Berliner Landesregierung sind begrenzt, wie auch die höchstrichterlichen Urteile zum Mietendeckel und zum Vorkaufsrecht gezeigt haben. Dennoch könnte ein wohnungspolitisch im Sinne der Mieter/innen ambitionierter Senat in gewisser Weise gegensteuern. Etwa durch eine deutliche Verlängerung der Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen nach Umwandlung, was aber ebenfalls juristisch als unzulässiger Eingriff in Eigentumsrechte gewertet werden könnte. Aber einen Versuch wäre es wert.

Rechte der Mieter/innen bleiben nachrangig

Auch könnten erhebliche Anstrengungen unternommen werden – etwa durch ein großes kommunales Wohnungsbauprogramm – das Segment der dauerhaft vor Eigenbedarfskündigungen  geschützten Mietwohnungen deutlich zu vergrößern. Ergänzt durch ein kommunales Ankaufprogramm von Bestandswohnungen und das Vorantreiben der in einem Volksentscheid beschlossenen Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Immobilienkonzerne.

Doch der amtierende Senat ist alles andere, als in diesem Sinne ambitioniert. Und auch wenn entsprechende Vorstöße – sofern sie denn erfolgreich und „rechtssicher“ wären – für viele Mieter/innen eine gewisse Erleichterung brächten: Die Kernfrage bliebe unberührt. Denn es geht um das Recht auf Wohnen als integraler Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Mit dem vorrangigen Recht von Haus- und Wohnungsbesitzern auf Selbstnutzung bis hin zu entfernten Verwandten ist dies nicht vereinbar. Anders formuliert: Eigenbedarfskündigungen müssten prinzipiell und ausnahmslos ausgeschlossen werden.

Aber eine gesellschaftliche Ordnung, in der diese Prinzipien gelten könnten, ist nicht in Sichtweite. Und natürlich ist der Kampf um kleine Reformen, die das Damoklesschwert Eigenbedarf wenigstens ein bisschen entschärfen, richtig und notwendig, und Seehofers bald auslaufendes Baulandmobilisierungsgesetz war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Doch derzeit geht es eher wieder rückwärts. Heinrich Zilles berühmten Ausspruch „Man kann einen Menschen mit einer Wohnung erschlagen wie mit einer Axt“ sollte man ergänzen – mit dem Verlust einer Wohnung auch.

Und so bleibt für viele Betroffene nur der zähe, nervenaufreibende Kampf gegen Eigenbedarfskündigungen, die nach Einschätzung von Fachjuristen in mindestens 30% aller Fälle rechtsmissbräuchlich sind. Dafür braucht es sowohl organisierte Solidarität und Öffentlichkeit, als auch kompetente juristische Vertretung. Und natürlich gilt es, die Forderung nach einem Verbot von Eigenbedarfskündigungen stärker in den Fokus der politischen Auseinandersetzung zu rücken. Alles Aufgaben, denen sich die Berliner MieterGemeinschaft verpflichtet fühlt. 


MieterEcho 436 / Oktober 2023

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

Email: me(at)bmgev.de

Ferienwohnungen

Unsere Umfrage

Falls sich eine oder mehrere Ferienwohnung(en) in Ihrem Haus befinden, berichten Sie uns davon und schildern Sie Ihre Erfahrungen in unserer Online-Umfrage.