Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 433 / Juni 2023

Alte Tradition

Die Berliner Politik und ihr gutes Verhältnis zur Immobilienwirtschaft

Von Benedict Ugarte Chacón

Das Rascheln im Berliner Blätterwald währte im Mai nicht lange, als bekannt wurde, dass der Immobilienunternehmer Christoph Gröner der Berliner CDU im Jahr 2020 mit einer großzügigen Spende von über 800.000 Euro unter die Arme gegriffen hatte. Ferner wurde von verschiedenen Medien berichtet, dass Gröner im Zusammenhang mit der Spende womöglich Bedingungen an den vormaligen CDU-Spitzenkandidaten und heutigen Regierenden Bürgermeister Kai Wegner gestellt haben könnte, was eine Parteispende unzulässig machen würde. Dies wiederum wurde sowohl von Gröner als auch von der CDU bestritten. Dass die Unterstützung aus der Immobilienwirtschaft für eine maßgebliche Berliner Partei keinen großen Skandal auslöste, mag damit zusammenhängen, dass man sich hier schon längst an solche Verquickungen gewöhnt hat. Denn Spenden von Immobilienunternehmern an Berliner Parteien haben eine lange Tradition.    


Gröner, der sich in einer Dokumentation des WDR einst als einer von „Deutschlands Superreichen“ porträtieren ließ, spendete laut dem vom Deutschen Bundestag veröffentlichten Rechenschaftsbericht der CDU für 2020 in besagtem Jahr 320.000 Euro an die Partei. Hinzu kamen 500.000 Euro der Gröner Family Office GmbH. Letztere wird mittlerweile von Frank Gröner, dem Bruder Christoph Gröners, geführt. Im Jahr 2021 spendete Christoph Gröner der CDU weitere 20.000 Euro. Die Gröner Family Office GmbH übergab der Partei 40.000 Euro und bedachte zudem die FDP mit 200.000 Euro. Für die Regionalgruppe Berlin/Brandenburg von Transparency International besteht der Anschein, dass der Unternehmer konkrete Bedingungen an seine Spende von 2020 geknüpft haben könnte. Bei den angeblichen Absprachen, die Gröner mit der CDU getroffen haben soll, handelte es sich laut Medienberichten um Forderungen nach einer besseren Unterstützung für behinderte Kinder in Kinderheimen sowie um Änderungen beim Berliner Mietendeckel. Mittlerweile befasst sich die Bundestagsverwaltung mit der Rechtmäßigkeit der Spende. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Spende unzulässig war, kämen erhebliche Strafzahlungen auf die CDU zu. Was dies dann für den Regierenden Bürgermeister bedeuten würde, bleibt abzuwarten.

Parteispenden und Bankenskandal

Der letzte Regierende Bürgermeister, der letztlich auch über eine Parteispende stürzte, war Eberhard Diepgen (CDU). Dabei war diese Spende verhältnismäßig klein. Gerade einmal 40.000 DM hatte der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus-Rüdiger Landowsky, sich im Oktober 1995 von den Geschäftsführern des Immobilienunternehmens Aubis, zwei ehemaligen CDU-Politikern, übergeben lassen. Das Problem: Landowsky war gleichzeitig Vorstand der Berlin Hyp, die wiederum zu dem zum größten Teil landeseigenen Konzern Bankgesellschaft Berlin AG gehörte. Die Aubis war Kreditkunde der BerlinHyp. Im Zuge des „Berliner Bankenskandals“, der im Jahr 2001 hochkochte und sich vor allem um die Immobilienfondsgeschäfte einer anderen Bankgesellschaftstochter drehte, wurde auch die Spende an Landowsky thematisiert. Das Geschäftsmodell der Aubis, im Zuge der Privatisierungswelle in Ostdeutschland Plattenbauten aufzukaufen, zu sanieren und mit Gewinn wieder zu veräußern, ging nicht auf. 

Finanziert wurden die Geschäfte auch von Landowskys Berlin Hyp, die sich mit diesem Kreditengagement in die Nesseln gesetzt hatte. Zwischen der Spende an Landowsky und dem Umgang der BerlinHyp mit der Aubis wurde ein Zusammenhang vermutet. Problematische Immobilien aus dem Aubis-Engagement wanderten in Immobilienfonds der Bankgesellschaft. Diese wiederum waren mit Garantien für die Fondszeichner/innen ausgestattet, die dazu führten, dass die Zeichner/innen auf jeden Fall eine Rendite bekamen, zur Not auch auf Kosten der Bank. Oder eben auf Kosten der öffentlichen Hand, denn als die Bankgesellschaft mit ihren Immobilienfonds ins Straucheln geriet, fing die Berliner Politik sie bereitwillig auf. Rund zwei Milliarden Euro Kapitalzuführung und eine Risikoabschirmung für das Immobiliendienstleistungsgeschäft von über 21 Milliarden Euro waren der Preis für die Rettung des Konzerns. 

Die SPD, damals der kleinere Partner in einer Großen Koalition und genauso für die Bankenpleite verantwortlich wie die CDU, zog sich gekonnt aus der Affäre und nahm den Bankenskandal zum Anlass, der CDU alle Schuld in die Schuhe zu schieben. Und so kam es, dass zunächst Landowsky als Bankdirektor und Fraktionsvorsitzender zurücktrat und schließlich im Sommer 2001 das Abgeordnetenhaus auf Betreiben der SPD dem Regierenden Bürgermeister Diepgen und den Senator/innen der CDU das Vertrauen entzog. Neuer Bürgermeister wurde der vormalige Fraktionsvorsitzende der SPD, Klaus Wowereit. 

Ein weiterer Parteispender, dessen Zuwendungen während des Bankenskandals ins Gerede kamen, war der Unternehmer Klaus Groth. Wowereit und sein Bausenator Peter Strieder (SPD) gerieten alsbald selbst ins Fahrwasser einer Immobilienaffäre. Strieder hatte sich in seiner vormaligen Funktion als Bezirksbürgermeister dafür eingesetzt, dass das Tempodrom seinen Standort vom Kanzleramt nach Kreuzberg verlagern konnte. Verbunden damit sollte der vormals in einem Zirkuszelt veranstaltete Kulturbetrieb nunmehr in einem festen Bauwerk, dem heutigen Tempodromgebäude, stattfinden. Der im Jahr 2000 begonnene Bau des neuen Gebäudes sollte auch mit eingeworbenen Sponsorengeldern eines „Freundeskreises“ finanziert werden. Vorsitzender der Tempodrom-Freunde wurde der Bauunternehmer Roland Specker. 

Die „Stiftung Neues Tempodrom“, die den Bau errichten sollte, erhielt dazu einen Kredit von der Landesbank Berlin (LBB), und weil die Stiftung nur über wenig Eigenkapital verfügte, übernahm das Land Berlin eine Kreditbürgschaft. Die Projektsteuerung übernahm die Specker Plantec GmbH, eine Tochter der Specker Bauten GmbH, an der der Unternehmer Roland Specker rund ein Viertel der Anteile hielt und als Aufsichtsratsvorsitzender fungierte.

Auch die SPD wird gefüttert

Die Baukosten für das Tempodrom liefen alsbald aus dem Ruder. Der Senat, allen voran Strieder, machte sich daran, das Projekt zu retten. Unter anderem resultierte daraus im Oktober 2001 ein Senatsbeschluss, der einen Zuschuss aus Haushaltsmitteln, einen Sponsoringvertrag mit der landeseigenen Investitionsbank IBB und eine Zuwendung aus Lottomitteln – alles in allem 13,5 Millionen DM – vorsah. Und was hat dies alles mit Parteispenden zu tun? Der erwähnte Roland Specker hatte im August 2001 – also kurz nach dem Sturz Diepgens – zu einem Fundraising-Diner mit dem Titel „Unternehmer für Klaus Wowereit“ eingeladen, um diesen im anstehenden Wahlkampf zu unterstützen. Zudem übernahm Specker das „VIP-Catering“ bei der SPD-Wahlparty im Oktober 2001.

Ein vom Abgeordnetenhaus eingesetzter Untersuchungsausschuss stellte später mit der Mehrheit von SPD und PDS fest, dass ein „anderer als ein zeitlicher Zusammenhang“ zwischen den Zuwendungen Speckers an die SPD und der Rettung des Tempodroms durch die öffentliche Hand „auszuschließen“ sei. Vorsitzender des Untersuchungsausschusses war übrigens der damalige Abgeordnete Michael Braun (CDU), der dann 2011 im Zusammenhang mit einer Immobilienaffäre um seine Entlassung als Justizsenator bat. 

Im Mai 2016 wurde bekannt, dass der oben erwähnte Bauunternehmer Groth eine Spende an die Lichtenberger SPD in Höhe von 10.000 Euro getätigt hatte. Deren damaliger Spitzenkandidat für die Wahl zum Abgeordnetenhaus war Andreas Geisel, der von 2014 bis 2016 auch Stadtentwicklungssenator war. Die Groth-Gruppe entwickelte damals ein umstrittenes Projekt am Mauerpark. Geisel verwahrte sich öffentlich dagegen, dass Groths Parteispenden etwas mit seinen stadtpolitischen Entscheidungen als Senator im Zusammenhang mit der Entwicklung am Mauerpark zu tun gehabt hätten. 

Dies waren nur einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit. Schon in den 1980er Jahren kam im Zuge der „Antes-Affäre“ an Licht, dass verschiedene Berliner Bauunternehmer verschiedene Berliner Politiker mit großzügigen Spenden bedacht hatten und dieser „Berliner Sumpf“ systemische Züge aufwies. Als Ende Mai Kai Wegner seine erste Regierungserklärung abgab, hatte laut einem Bericht der taz auch ein besonderer Gast auf der Besuchertribüne des Abgeordnetenhauses Platz genommen. Klaus-Rüdiger Landowsky gab sich die Ehre und lauschte den Worten des Regierenden. Tradition verbindet eben.


MieterEcho 433 / Juni 2023

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