MieterEcho 330/Oktober 2008: Mit der Kündigungskeule gegen Denkmalschützer

MieterEcho

MieterEcho 330/Oktober 2008

Quadrat BERLIN

Mit der Kündigungskeule gegen Denkmalschützer

Die Bewohner/innen der Eisfabrik kämpfen für den Erhalt ihrer Mietbedingungen

Tobias Höpner

Im September war wieder Tag des offenen Denkmals. Mehrere hundert Interessierte erschienen, um sich – wie im Programm angekündigt – die alte Eisfabrik in der Köpenicker Straße 40/41 anzuschauen. Doch dort angekommen, wurden sie Zeugen einer skurrilen Situation: Die Eigentümerin des Grundstücks, die TLG Immobilien, hatte Wachschützer gesandt, um die Veranstaltung zu unterbinden. Die Veranstalter, denkmalbegeisterte Mieter des Vorderhauses, stellten daraufhin Kaffee und Kuchen auf dem Gehweg bereit und baten die Besucher um Verständnis dafür, dass die Führung auf ein Umrunden des Geländes beschränkt werden musste. Die Wachschützer hatten Briefe der TLG gezückt, die den Mietern mit fristloser Kündigung drohten, falls sie eine öffentliche Veranstaltung auf dem Grundstück durchführten.

Warum duldet die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) das Engagement ihrer Mieter nicht? Die knapp hundert Jahre alte Eisfabrik stammt aus den frühen Zeiten der massenhaften Kunsteisproduktion und gilt unter Fachleuten als einzigartiges Zeugnis einer vergangenen Industriekultur. Hinter dem Wohnhaus erstrecken sich die Fabrikanlagen und großen Kühlhäuser bis zum Spreeufer. Seit dem Zweiten Weltkrieg fehlt eine Hälfte des Vorderhauses. Die Berliner Konsumgenossenschaften führten die Eisfabrik nach 1945 weiter, bis 1991 schließlich die Produktion von Stangeneis aufgegeben wurde. 1995 ging die Eisfabrik in die Verwaltung der TLG über. Die ließ die Gebäude – wohl in Erwartung, ein Abriss würde die Chancen auf ein profitables Bauvorhaben steigern – zusehends verrotten. Gegen Auflagen des Bezirks Mitte, Schäden am Dach zu reparieren, wurde Widerspruch eingelegt. Neue architektonische Entwürfe für das Grundstück zeigten hingegen gläserne Büropaläste, passend zu den Mediaspree-Planungen. Mit dem Abriss der Eisfabrik schien von Seiten der TLG also trotz eingetragenen Denkmalschutzes gerechnet worden zu sein.

Die Mieter/innen des Vorderhauses ärgerten sich zwar immer wieder über die mangelnde Instandhaltung durch die TLG, doch schätzten sie es, in der Eisfabrik zu wohnen: in nicht-modernisierten, aber zentralbeheizten Wohnungen und zu bezahlbaren Mieten. Zum Frühjahr 2007 dann machte die TLG deutlich, dass sie das Wohnhaus sanieren wolle und die Mieter dauerhaft ausziehen sollten.

Druck der Öffentlichkeit nötig

Die Betroffenen schlossen sich zusammen, um in der Eisfabrik wohnen zu bleiben und riefen die „Initiative zum Erhalt der Eisfabrik“ ins Leben. Briefe wurden geschrieben, an die TLG, an das Bezirksamt, an das Landesdenkmalamt und an das Bundesfinanzministerium als Eigentümer der TLG. Kontakte wurden geknüpft, zu Liebhabern alter Fabriken, zu Kennern der historischen Kunsteisproduktion, zum Initiativkreis „Media Spree versenken!“ und zum Bürgerverein Luisenstadt.

Denn vor allem zwei Entwicklungen könnten eine stark aufwertungsorientierte Neubebauung und mietpreistreibende Teil-Modernisierung der Eisfabrik erschweren: einerseits ein stärkerer Druck von Seiten der Denkmalschutzbehörde, erzeugt durch wachsende öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber der Gefahr, die schutzwürdige Substanz der Fabrik zu verlieren. So könnten Abrissgenehmigungen auch für die Kühlhäuser versagt und weitere Erlasse zur Ausführung von Instandsetzungsarbeiten ausgesprochen werden. Und andererseits hängt die Umstrukturierung der Eisfabrik auch am Erfolg des Mediaspree-Projekts, auf dessen Welle die TLG als Mitglied mitzusegeln versucht.

Privatisierung der TLG geplant

Der Protest der Eisfabrik-Aktivist/innen für das Industriedenkmal dient nicht nur dem eigenen Wohnraum, sondern dreht sich auch um den Erhalt der Anlagen. Doch in ihren Aktivitäten besteht auch die Gefahr, die TLG zu einer Überarbeitung des Vorhabens zu bewegen. Mit Denkmalwert aufgeladen, könnte es womöglich besser am Markt platziert werden und somit profitabler sein als der bishe geplante Kahlschlag. Auch der Kampf um Aufmerksamkeit für die alte Eisfabrik birgt diese Gefahr, weil er das Grundstück populärer macht. Die TLG jedoch scheint derzeit diese Chance noch nicht zu wittern. Möglicherweise steckt sie noch zu sehr in ihren alten und starren Betriebsabläufen der vormaligen Treuhandbehörde, die die DDR-Betriebe abwickelte, fest. Mittlerweile in die TLG Immobilien GmbH umgewandelt, agiert sie jedoch zunehmend als profitorientierter Immobilienfonds. Nach der bereits geplanten Privatisierung der TLG wird die öffentliche Hand ihre Einflussnahme auf das Unternehmen verlieren. Vor diesem Hintergrund verwundert zwar die kompromisslose Umgangsweise der TLG mit der Eisfabrik-Initiative, da während der Privatisierung schlechte Presse droht. Logisch hingegen scheint, dass sie alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen versucht. Es bleibt also zu hoffen, dass die engagierten Mieter/innen ihre Spielräume erfolgreich ausnutzen.

Weitere Infos unter: www.berlin-eisfabrik.de

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