MieterEcho
Nr. 268 - April/Mai 1998

Mietspiegel sorgt für aalglatte Mieterhöhungen

Der Mietspiegel für Westberlin findet in den Medien kaum Anklang - auf Ablehnung stößt er gar nicht. Als allseits akzeptiertes Instrument wird er gehandelt. Hier nun einige Anmerkungen, die diese Akzeptanz fragwürdig werden lassen.

Der Regulierungsfaktor

Das einzige, aber nicht zu unterschätzende, Argument für die Unterzeichnung eines Mietspiegels (MSP) durch eine Mieterorganisation ist, betrachtet man die momentane politische Situation, daß er der zunehmenden politischen Deregulierung entgegensteht. Soll heißen, jedes noch so kleine Stück staatlicher Einflußnahme auf die Marktsituation ist letztendlich hilfreich und steht der geplanten vollständigen Liberalisierung des Wohnungsmarktes entgegen. Der MSP wirkt zwar als Mietsteigerungsinstrument, aber als ein dämpfendes. Der 98er Mietspiegel rechtfertigt allerdings Mietsteigerungen bis zu 65% im Altbaubestand, durchschnittlich ist das immer noche eine ca. 9%ige Erhöhung. Daß die Neubaumieten gesunken sind drückt doch nur aus, daß die Mietforderungen in der Vergangenheit für dieses Marktsegment völlig überzogen waren und sich nun auf einem hohen Niveau einpendeln.

Die Datenerhebung

Der MSP 98, wie auch schon der MSP 97 geben weitere Anlässe das o.g. Argument - Mietspiegel als Regulatorium - zurückzustellen. Zur Erinnerung, ein Mietspiegel soll die in einer Stadt übliche - die ortsübliche - Miethöhe abbilden. Die Datenerhebung läßt daran jedoch Zweifel aufkommen. In Ostberlin wurden die Mieten per Gesetz in dramatischer Eile an den Markt herangeführt. In Ostberlin gibt es ca. 650.000 Wohnungen. Dem Ostberliner MSP wurden ca. 360.000 Wohnungen zu Grunde gelegt. Über 300.000 Datensätze stellten allein die Wohnungsunternehmen zur Verfügung. Ein Schelm, wer denkt sie hätten die teuren Wohnungen ausgewählt!?

In Westberlin wurden die Daten für die ca. 500.000 mietspiegelrelevanten Wohnungen in einem Zensus erhoben. Rund 10.000 Befragungen gab es. Betrachtet man den zugrunde liegenden Fragenkatalog, stolpert man gleich auf den ersten Seiten über eine Kuriosität. Steht doch im § 2 Abs. 1 Nr. 2 Miethöhegesetz, daß nur Wohnungen zu berücksichtigen seien, deren Miete sich in den letzten vier Jahren verändert habe. Der Fragebogen hingegen selektiert ausschließlich nach Wohnungen deren Miete in den letzten vier Jahren gestiegen ist.

Brutto oder Netto

Im Westberliner MSP sind jetzt, wie schon in Ostberlin, die Nettokaltmieten aufgeführt (zur Erläuterung der Umstellung, s. unten: Brutto oder Netto). Ganz offensichtlich der Versuch, den Eindruck zu erwecken, daß die Steigerungen geringer ausfallen als das eigentlich der Fall ist. Hergeleitet wird die Umstellung aus der veränderten Marktsituation: 500.000 relevante Wohnungen insgesamt, verteilt auf 140.000 Neubau- und 360.000 Altbauwohnungen. Für die 360.000 Altbauwohungen sind 200.000 Bruttomietverträge abgeschlossen. Eine rechnerische Notwendigkeit zur Umstellung auf Netto gibt es also nicht. Sinn macht die Umstellung nur unter dem Aspekt, daß die zwei MSP im Jahr 2000 verschmolzen werden sollen.

Die Wohnungsausstattung

Wo sind die Wohnungen mit niedrigem Standard geblieben? In den Ausstattungsgruppen des MSP tauchen sie jedenfalls nicht mehr auf. Eine Erklärung könnte sein: der durchschnittliche Wohnungsstandard hat sich weiterentwickelt. Warum bewirken dann die fehlenden Kriterien nur einen Abschlag von 0,25 DM pro Quadratmeter? Der direkte Vergleich mit den fehlenden Spalten (verl. Tabelle 1, S. 4), zeigt auch hier, daß es um Preistreiberei geht. Zusammenfassend bestätigen die Zahlen aus dem 98er Mietspiegel die Erwartung bzw. die Befürchtungen der BMG, zu welchen der 97er Ostmietspiegel schon Anlaß genug gab. Den niedrigen Neubaumieten in Ostberlin stehen nun die - leicht gesunkenen - hohen Neubaumieten in Westberlin gegenüber; den hohen Altbaumieten im Osten stehen die niedrigen - nun stark gestiegenen - im Westen nicht mehr so unversöhnlich gegenüber. Wird der nächste Mietspiegel für ganz Berlin erstellt, wird eine Angleichung auf dem jeweils höchsten Niveau die zwingende Konsequenz.

wj

 
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