MieterEcho
Nr. 267 - März/April 1998

Der aufhaltsame(?) Aufstieg der Wohnungsbaugesellschaften ins Private

Eigentlich hatte sie es sich viel einfacher gedacht, die SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing. Sie wollte neben all den anderen öffentlichen Vermögenswerten fast den gesamten Bestand an kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auf den Markt werfen und die Einnahmen zur Verringerung der Defizite an den Berliner Landeshaushalt abführen. So hätte sie sich eine gute und erfolgreiche Finanzpolitik vorgestellt. Eine prächtig einfache obendrein.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das man angesichts eines von Edzard Reuter angeführten Freundeskreises von jedem Verdacht parteiisch zuungunsten der Interessen der Wirtschaft zu sein, freisprechen muß, analysierte in seinem Wochenbericht 39/97 "die aktuellen Tendenzen im Landeshaushalt von Berlin".

Unter den vielen Gründen für die Misere im Ausgabenbereich - ganz als hätte man zu der kleinen im ME aufkeimende Debatte über Sicherheit in dieser Stadt einen vorgezogenen Beitrag liefern wollen - findet sich auch der Hinweis auf Unterschiede zu Hamburg und Bremen, den beiden anderen Stadtstaaten: "Signifikant sind noch immer die Unterschiede bei der Polizei; je Einwohner waren 1996 im Berliner Polizeidienst über ein Drittel mehr Polizeikräfte als in Hamburg und über die Hälfte mehr als in Bremen tätig. Im Bereich der Schulen hingegen ist Berlin per saldo weniger gut ausgestattet als Bremen und Hamburg."

Die Politik der Privatisierung wird mit äußerster Zurückhaltung kommentiert: "Die geplanten Vermögensveräußerungen werden der Politik Luft verschaffen und die Haushaltsdefizite 1997 und 1998 drastisch verringern. Ob die Verkäufe aber dauerhaft zu einer Entlastung führen, ist fraglich."

Die Basis für Parteientscheidungen, die Delegierten des SPD-Parteitages vom 15.11.97, entwickelte ebenfalls andere Standpunkte zum Problem der Privatisierung. Da kam der Finanzsenatorin, assistiert von ihrem engen politischen Parteifreund, dem Fraktionschef Klaus Böger, der sofort von dem Bausenator Klemann abgesegnete, rettende Gedanke: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften könnten sich gegenseitig kaufen und verkaufen zugunsten des Landeshaushaltes. Der direkte Verkauf hätte neben dem finanziell entlastenden Effekt den wahrscheinlich viel entscheidenderen und im Trend liegenden gesellschaftspolitischen gehabt: die Übergabe des "politischen" an das private wirtschaftliche Kapital. Die korrigierte Version, der Insichverkauf der Wohnungsbaugesellschaften kompliziert diesbezüglich die Lage, führt aber letztendlich zu dem gleichen Ziel, nur etwas langsamer.

Privatisierung um die Ecke

Doch zunächst einmal zur Erinnerung: das von der Senatorin geplante Finanzwerk sieht vor, daß die Wohnungsbaugesellschaft Hohenschönhausen (23.700 WE) die Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg (31.600 WE) übernimmt, die WIR, ehemals Neue Heimat, (18.400 WE) mit der WIP in Prenzlauer Berg (10.400 WE) verschmilzt und die Wohnungsbaugesellschaft in Mitte, die WBM, (14.600 WE) die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (21.700 WE) kauft. 600 Millionen Mark soll der Deal dem Berliner Haushalt bringen.

Irgendwie pfiffig, oder?

Hat Waigel, der die Maastricher Konvergenzkriterien durch Neubewertung der Goldreserven der Bundesbank punktgenau zu erfüllen gedachte, hier Pate gestanden? Die Öffentlichkeit - nicht die demokratische, was immer das auch sein mag - die Öffentlichkeit an der Börse und die Öffentlichkeit an den Finanzmärkten auch die Öffentlichkeit in den Konzernzentralen von Banken und Industrie stufte seinerzeit die waigelschen Absichten mit feiner Ironie als "kreative Buchführung" ein, und diese Bezeichnung meint in weniger nadelgestreiftem Sprachgebrauch so viel wie parvenuehafte Roßtäuscherei.

Frau Fugmann-Heesing übertrifft ihren Kollegen. Eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft kauft die andere! Sowohl Käufer als auch Verkäufer gehören dem Senat. Zugespitzt formuliert: der Senat verkauft an sich selbst und macht dabei einen dicken Reibach. Ein wundersames Rezept, geeignet alle Finanznöte dieser Welt zu beseitigen. Wer immer irgendeinen Wert, ein Auto z.B., besitzt, braucht das nur an sich selbst zu verkaufen und schon füllen sich die Taschen mit Barem.

Wenn es dann auf irgendeine seltsame Weise so doch nicht klappt, kann ja letztendlich die kaufende Wohnungsbaugesellschaft Kredite aufnehmen, durch deren Kosten sie belastet wird, oder Bestände privatisieren, um von dem Erlös die Kosten einer Senatspolitik, die sich seit der Wende immer noch in die eigene Tasche lügt (lt. DIW-Bericht liegen Schätzungen für die Steuereinnahmen permanent um mindestens 1 Mrd. zu hoch) zu finanzieren. Privatisierung um die Ecke!

Das Ziel, die Marktwirtschaft ist schon erreicht

Muß man jemanden, der nach dem Grund der Aufregung über die Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaften fragt, als Zyniker bezeichnen oder ist er nur ein, die tatsächlichen Entwicklungen in Rechnung stellender, Realist? Zwar sind in den Aufsichtsräten der "kommunalen" Wohnungsbaugesellschaften noch immer Politiker vertreten, aber die haben sich längst von der sozialen Aufgabe, die Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen, entfernt. Sie agieren unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit. Die Mieterinteressen werden nicht mehr wahrgenommen, Mieter sind nur noch die Quelle der Rendite. Bräuchte man sie dazu nicht, wären leerstehende Wohnungen viel günstiger. Die WBM ist Avantgarde dieser Entwicklung. Ihrem Aufsichtsrat gehören nur vom Senat, nicht vom Bezirk bestimmte Vertreter an. Die sozial engagierte Baustadträtin von Mitte, Karin Baumert, kann gegenüber dem Problem der Privatisierung der WBM nur feststellen, daß sich für sie nichts ändern würde, weil die politischen Einflußmöglichkeiten des Bezirkes schon längst nicht mehr gegeben sind. So hat sich diese Wohnungsbaugesellschaft auch schon seit langem durch Ausgliederung der WBMI für den Börsengang fit gemacht. Sämtliche Filetstücke sind an die WBMI übertragen, die damit in die Lage versetzt wird, lukrative Geschäfte, wie die Errichtung der Neuen Hackeschen Höfe, zu betreiben. Ihre Verwaltung hat man dem Internationalen Handelszentrum (IHZ) in der Friedrichstr. (für DM 200 Mio DM erworben) übertragen. Dies ist noch im Eigentum der WBM, aber bestimmt, zu gegebener Zeit das Börsenpaket WBMI abzurunden.

Die WBM selbst schöpft zur Deckung ihres Finanzbedarfs großzügig aus ihrer "natürlichen" Quelle. Ihre Mieten sind inzwischen auf die Zahlungsfähigkeit der besserverdienenden, urbanen Eliten zugeschnitten. In der Gipsstr. - und das ist kein Einzelfall - in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Sophienhöfen des Kunstmäzens Hoffmann, dessen Sammlung und großkotzige millionenschwere Behausung gegen Entrichtung eines Obolus von DM 10,- zu besichtigen sind, wird die unsanierte Wohnung bei Neuvermietung für DM 18,- pro m2 kalt angeboten. In der Rosenthaler Str. (so die taz vom 30.1.98) bekommt man für diesen Preis eine Plattenwohnung warm. Konsequent wie keine andere Gesellschaft hat die WBM auf Markterwartungsmieten abgestellt. Leerstände werden in Kauf genommen, wenn sich die Erwartung nicht sofort realisieren läßt. Die Grenzen der Tätigkeit dieser Gesellschaft werden ausschließlich vom Markt gezogen und dessen Grenzen im Zweifelsfall neu bestimmt. Beispiele finden sich zuhauf. So wurde neben der WBMI als "profit center", auch die TSB ausgegründet. Diese Tochter ist jetzt im Auftrage der WBM für den technischen Service und die Dienstleistungen zuständig. Sie berechnet dafür zu Lasten der Mieter Kosten jenseites des marktüblichen. Hingegen wurde ein Projekt von 100 Wohneinheiten im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus (Mulack-/Steinstr./ Alte Schönhauser) trotz günstiger Förderung nur mit Widerwillen in Angriff genommen. Der Grund für solche Zurück- haltung liegt offen auf der Hand.

Im Interesse der Wertsteigerung ihres eigenen Besitzes ist die WBM eifrig bemüht, die von der Allparteienkoalition (Klemann, Strieder, Eichstädt-Bohlig) gewünschten Gentrifizierungsprozesse zu fördern. Und das geschieht unter anderem durch hohe Mieten. Sozialer Wohnungsbau ist nicht nur weniger renditeträchtig als der Altbaubestand, sondern könnte die Aufwertungsprozesse in der Spandauer Vorstadt sogar stören. So verbinden sich die marktwirtschaftlich gewendeten und von ihrer sozialen Verantwortlichkeit entbundenen Interessen dieser Wohnungsbaugesellschaft ganz harmonisch mit einer Politik, die Deindustrialisierung zugunsten problematischer Tertiarisierung der Wirtschaft und Gentrifizierung der Innenstadt fördert, und zu deren gesellschaftlichen Folgen soziale Polarisierung in bisher nicht gekanntem Maße gehört.

Die finanzpolitische Komponente wird von Frau Fugmann-Heesing, unter dem Markenzeichen Sparpolitik, beigesteuert.

Joachim Oellerich

 
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